Neue Rundfunkanstalt: Wer wird der Kern?

■ Auf einer Mediendiskussion des DGB stritten die Intendanten aus dem Ost- und dem Westteil der Stadt über die künftige Mehrländer-Rundfunkanstalt/ Die Rundfunkbeschäftigten aus dem Osten sind sauer auf die schlappen Gewerkschaften

Berlin. Nach drei Stunden frontaler Podiumsdiskussion brach sich bei den Medienmenschen Ost das postrevolutionäre Pathos Bahn: »Für so was haben wir unsere Gewerkschafter davongejagt«, wütete ein Personalratsvertreter vom Deutschen Fernsehfunk (DFF) gegen die Leute vom DGB und der IG Medien. Rund 100 Angestellte der Radio- und Fernsehsender der Ex-DDR hatten sich am Mittwoch abend zu einer mit Indendantenprominenz (SFB, RIAS, DFF, Berliner Rundfunk), Medienpolitikern und Gewerkschaftern besetzten Diskussion des DGB über die zukünftige »Medienordnung in Berlin und Brandenburg« eingefunden. Doch die erwartete kontroverse Auseinandersetzung darüber, wie drohende Arbeitslosigkeit angesichts der entstehenden Mehrländer-Rundfunkanstalt Berlin/Brandenburg/ Sachsen-Anhalt verhindert werden kann, fand nicht statt. Nur Statements und Intendantenkleinkrieg — und die Gewerkschafter boten Trost und trauerten ihrer alten Strategie von der Erhaltung des DDR- Rundfunks als »dritter Kraft« neben ARD und ZDF nach.

Die Beschäftigten befürchten den »Neutronenbombeneffekt«: Vom ehemaligen zentralen Ostrundfunk bleiben nur »Frequenzen und Gebäude« — der Großteil der Angestellten wird »freigesetzt« und darf versuchen, sich in privatwirtschaftlichen Produktionsstätten für die Privatfunker neu zu organisieren. Sie forderten eine Beteiligung der Gewerkschaften und der Öffentlichkeit an den Verhandlungen zwischen den Ländern und den Intendanten.

Es dürfe nicht weiter so zugehen wie bei der »Sachverständigenkommission Medienordnung« des Regionalausschusses, an der zwar die gesammelten Intendanten, nicht aber die Beschäftigten beteiligt gewesen seien. Bei der Diskussion beharkten sich die Ost- und Westintendanten zunächst bösartig darüber, wer nun Kern und wer Satellit einer künftigen Landesanstalt zu sein habe. Von Ost und West wurde der Versuch unternommen, sich vorzumachen, daß man es noch alleine schaffen könne, finanziell zu überleben — Argumentationsmasse für Verhandlungen. Doch eine schwache, denn eigentlich ist klar, daß weder der SFB noch der Ostfunk mit dem Gebührenaufkommen von Berlin und Brandenburg noch lange überleben werden. Einig war man sich aber darüber, daß eine Mehrländeranstalt her muß — möglichst nicht auf den ARD-Finanzausgleich angewiesen. Dazu müsse »die Gebührendurststrecke eben auch mit Krediten überbrückt werden«, riet SPD-Medienpolitiker Dieter Huhn. Er warnte auch davor, schon jetzt von einer Beteiligung von Sachsen- Anhalt an einer künftigen Anstalt auszugehen. Hier werde der Wettbewerb mit den CDU-Ländern hart werden. Auch sei fraglich, ob eine Angliederung von Mecklenburg- Vorpommern überhaupt noch möglich sei — hier habe der NDR eindeutig den Fuß in der Tür.

Huhn glaubt auch nicht daran, daß die anderen Länder sich an der Weiterfinanzierung der »Berliner Altlasten« beteiligen würden. Die Probleme müßten hier in Berlin gelöst werden. Mit dem zu erwartenden Gebührenaufkommen sei wohl nur die Finanzierung einer Anstalt Berlin/Brandenburg/Sachsen-Anhalt mit etwa 1.500 Beschäftigten möglich — so viele Leute habe allein schon der heutige SFB.

Kein Wunder also, daß die Ex- DDR-Medienmenschen sich echauffierten. Ist es doch ein leichtes, die verschiedenen Belegschaften gegeneinander auszuspielen. Zudem hatten die Gewerkschaftsvertreter auf dem Podium nicht viel mehr an Strategien vorzuweisen als die »Teilnahme an den Anhörungsprozessen« für die Etablierung von Mediengesetzen und Sendeanstalten in den neuen Ländern. »Ihr habt doch schon vorweg kapituliert«, machte sich eine DDR-Frau am Schluß Luft. kotte