Ungleicher Lohn trotz gleicher Arbeit

■ Die ÖTV will eine Entlohnung nach dem Arbeitsplatzprinzip/ Senats-Wohnsitzmodell abgelehnt

Berlin. Die Gewerkschaft ÖTV hat die Pläne von Innensenator Pätzold kritisiert, wonach Ostberliner, die in West-Berlin im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, nach den niedrigeren Osttarifen bezahlt werden sollen. Der Tarifunterschied würde, sagte gestern der ÖTV-Vorsitzende Lange gegenüber Journalisten, trotz gleicher Arbeit am gleichen Arbeitsplatz bis zu zwei Drittel der Löhne und Gehälter betragen. Obendrein würde der Senat planen, in einer Sonderregelung »Lex Berlin« die bereits geltenden Tarifverträge im Tarifgebiet West-Berlin für einen bestimmten Personenkreis außer Kraft zu setzen. Treffen würde diese Regelung z.B. all die vielen Bewag-Beschäftigten mit Wohnsitz Ost-Berlin, die Anfang August in West-Berlin zu Westlöhnen eingestellt wurden.

Das »Momper-Modell« mit seinem »Wohnortprinzip«, meinte Lange, »würde die Teilung der Stadt fortschreiben und verfestigen und die Arbeitnehmer in dem Tarifgebiet West in West- und Ostbewohner spalten. Darüber hinaus würden damit die Ostbewohner schlechtergestellt, weil sie zusätzlich mit den hohen in West-Berlin gültigen Sozialabgaben belastet wären.« Obendrein, argumentierte Lange, wäre der Betriebsfrieden »dauerhaft gefährdet«, wenn eine unterschiedliche Bezahlung für die gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort zur Regel würde. Dieses Wohnortprinzip hält die Gewerkschaft nicht nur »für rechtswidrig«, sondern auch für eine Möglichkeit, die Personalkosten des öffentlichen Dienstes durch verstärkte Einstellungen aus dem Osten, insgesamt zu senken.

Die Gewerkschaft plädiert daher für die Einrichtung von zwei Tarifgebieten, dem Tarifgebiet Ost und dem Tarifgebiet West. Nicht der Wohnort soll ausschlaggebend für die Einordnung in einen der beiden Tarifbezirke sein, sondern der Arbeitsort. Arbeitnehmer, die im Osten leben, aber im Westen arbeiten, sollen Westlöhne erhalten, Arbeitnehmer, die im Westen leben, aber im Osten arbeiten, sollen, sofern sie von westlichen Dienststellen in den Ostteil abgestellt sind, weiter westliche Löhne erhalten; Ostlöhne soll es aber sehr wohl bei Neueinstellungen geben, sofern der Arbeitsort in der Stellenausschreibung deutlich definiert wurde. Nach Ansicht von Kurt Lange ist dieses »Arbeitsplatzprinzip« eher geeignet, dem gewerkschaftlichen Ziel »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« näher zu kommen.

Der Pressesprecher der Innenverwaltung, Thronicker, hält die ganze Argumentation der ÖTV für »pharisäerhaft« und »ganz und gar nicht für einen konstruktiven Beitrag im Interesse der Stadt«. Die entsprechend dem Wohnort unterschiedliche Bezahlung der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wäre »die beste Lösung von allen schlechten Lösungen«. Das ÖTV-Arbeitsplatzprinzip bedeutet nur ein »Durcheinander«, und letztendlich, daß z.B. keine Westkrankenschwester bereit wäre, in Pankow zu arbeiten, obwohl sie da dringend gebraucht werden würde. Eine Tatsache übrigens, sagt Thronicker, die die ÖTV noch vor wenigen Wochen selbst eingesehen habe. Denn Anfang August habe die Gewerkschaft mit der »Tarifgemeinschaft deutscher Länder« auf Bundesebene einen Tarifvertrag erarbeitet, in dem dezidiert das Wohnortprinzip festgelegt wurde. Diesen unterschriftsreif erarbeiteten Vertrag hätte die ÖTV jetzt aber überraschenderweise nicht unterzeichnet und wird es wohl auch bei der nächsten Tarifrunde am 29. und 30. Oktober nicht tun. Eine Einschätzung, die Kurt Lange bestätigt. aku