Bei Irland ist Musike drin

■ Unglaublich aber wahr: Irische Fußballer werden mittels individueller Musikbeschallung zu Höchstleistungen getrieben, die Gegner irritiert

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Italien überzeugte die irische Mannschaft durch unbändigen Kampfesmut — und stieß bis ins Viertelfinale vor. Allerdings blieb das spielerische Element dabei auf der Strecke. In seinen Memoiren enthüllte der englische Trainer des Teams, „Giraffe“ Jack Charlton, sein Erfolgsgeheimnis: Er habe während der Fahrt ins Stadion jedesmal eine Kassette mit „IRA-Kampfliedern“ im Mannschaftsbus abgespielt — in Wahrheit nichts als historische Rebellenlieder, die in Irland längst zum festen Repertoire jedes halbwegs geeichten Trinkers gehören. Und das also hat die Jungs vor allem im Spiel gegen England in die richtige Stimmung versetzt?!

Am Mittwoch überraschte das irische Team im ersten EM-Qualifikationsspiel durch glänzende Kombinationen und trickreiche Spielzüge. Obwohl das komplette Mittelfeld wegen Verletzung ausgefallen war, gewann Irland gegen die von Sepp Piontek trainierten Türken mit 5:0. Nach dem Spiel verriet Charlton der taz sein neues Erfolgsrezept: „Wir haben mit Paddy O'Ceili einen hauptamtlichen Musikexperten eingestellt.“ Dieser Tonmasseur stimmt neuerdings das Musikprogramm individuell auf die einzelnen Spieler ab.

Der Sponsor ist gefunden: Eine bekannte Brauerei hat für jeden Spieler einen Walkman gestiftet. „Das hat allerdings auch Nachteile“, gibt die Giraffe zu. „Der Sponsor bestand darauf, daß die Musik durch Werbespots für ihr Bier unterbrochen wird.“ Ist das der Grund für die katastrophalen Abwehrfehler in der ersten Halbzeit? „Nein. O'Ceili wollte den Verteidigern mit Van Morrisons ,I walked up and I walked down‘ zu mehr Lauffreude verhelfen. Leider hat der Torfkopf die irische Version aufgelegt: ,Shiuil mise thoir agus shiuil mise thiar‘. Was natürlich keiner verstanden hat. Die meisten Spieler sind ja in England geboren.“

In der Halbzeitpause nahm Charlton die Sache selbst in die Hand: „Die Abwehr mußte sich fünfmal hintereinander ,Turn, Turn, Turn‘ von den Byrds anhören — in der zweiten Halbzeit hatten die Türken nicht eine Torchance.“ Tony Cascarino gehörte in Italien zu den Stützen der Mannschaft. Diesmal nur Ersatz? „Ein Who- Fan“, winkt Charlton verächtlich ab. „Er hat die Kassetten heimlich ausgetauscht und ,Substitute‘ gedudelt. Das hat seine Einstellung völlig versaut.“

Charltons Geheimwaffe war am Mittwoch die Pogues-LP „If I should fall from grace with God“. Der Titelsong war für Torwart Packie Bonner bestimmt: „Let them go boys, let them go boys, let them go down in the mud.“ Aber es war doch ein klares Foul, als Bonner den türkischen Mittelstürmer im Strafraum in den Schlamm schickte. „Möglich“, nickt Charlton, „aber wir hatten vorgesorgt: Schiedsrichter Fredericksson war stundenlang mit dem Manfred-Mann-Song ,Blinded by the light‘ beschallt worden.“

Charlton weist die Behauptung energisch zurück, daß die türkische Mannschaft in einer Phase des Neuaufbaus sei und es seinem Team leicht gemacht hätten: „Ach was. Das waren doch auch die Pogues. Wir haben den ,Turkish Song of the Damned‘ per Lautsprecher in ihre Umkleidekabine übertragen: ,Nor the nails of the cross, nor the blood of Christ can bring you help this eve‘“, grinst die Giraffe und verabschiedet sich unter Absingen der letzten Strophe eines anderen Pogues- Liedes: „Good night and god bless, now fuck off to bed.“ Ralf Sotschek, Dublin