Millionen an Einheit verdient

■ Wie ein internationaler Devisenschieberring aus den Subventionen zur deutschen Einheit 500 Millionen kassierte/ Stasi-Hinweis nur Gerücht

Berlin (taz) — Es waren nicht drei Milliarden und es gibt keine Hinweise auf eine spektakuläre Stasi- Connection — mit diesem Dementi trat die Berliner Justiz-Senatorin gestern vor die Presse. Die 'Süddeutsche Zeitung' hatte unter Berufung auf den Justizstaatssekretär den Devisen-Schwindel noch um einige Dimensionen größer gemacht, als er nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ist.

Was bleibt, ist Stoff genug. Anfang September gab es einen Tip auf 100 Millionen Mark, die bei einer Westberliner Bank lagerten und transferiert werden sollten. Inhaberin: die nach der Wende von einem FDGB-Mann neu gegründete Leipziger Firma Ima. Der Fall schien dubios, Ermittlungen begannen. Erst vergangene Woche kam es zu den ersten vier Verhaftungen, 257 Millionen Mark aus Geldern der Deutschen Außenhandelsbank (DABA), inzwischen Tochter der Bundesbank, wurden beschlagnahmt. Der Gesamtschaden liegt nach Schätzungen der Staatsanwaltschaft zwischen 350 und 500 Millionen Mark.

Die Wirren der deutschen Einheit waren eine gute Gelegenheit für kleine und große Betrüger. Während die 17 Millionen DDR-Deutschen ihre Konten umschichteten, um pro Nase 4.000 Mark 1:1 umtauschen zu können, profitierte ein internationaler Ring von dubiosen Geschäftsleuten von der großzügigen Regelung der Bonner Regierung zugunsten der Sowjetunion und der Ost-Handelskontakte aus der DDR: Bis zum Jahresende subventioniert die Bundesbank DDR-deutsche Exporte in die RGW-Länder in erheblichem Umfang, um den Rückgang der Lieferungen abzufedern.

Die Geschäfte zwischen den RGW-Ländern waren in der künstlichen Verrechnungseinheit „Transferable Rubel“ (XTR) abgewickelt wurden. Ein XTR war 4,68 DDR- Mark wert. Für vor der Währungsunion eingegangene Vertragsverpflichtungen tauscht die Bundesbank den nicht konvertierbaren XTR bis Ende 1990 im Verhältnis 1:2 für 2,34 Mark hartes Westgeld um.

Der Trick funktionierte einfach: Der Devisenhändler-Ring legte zurückdatierte Lieferverträge und Rechnungen vor, wonach angeblich Fotoapparate, Fernseher oder Mikroskope geliefert worden waren. Von Komplizen in den Abnehmer- Firmen, vor allem in Polen, bekam man XTR gutgeschrieben, geprüft wurde bis zum 3.10. kaum etwas.

Bei den Festgenommenen handelt es sich neben dem Leipziger FDGB- Mann um einen jugoslawischen Schweißer, eine polnische Kellnerin und einen ehemaligen Westberliner Steuerberater, der einschlägig vorbestraft sein soll. Nach einem Haupttäter werde gefahndet, einer der Verhafteten habe den Tatvorwurf bestritten und gleichzeitig zugestimmt, daß von dem beschlagnahmten Geld 40 Millionen vorläufig wieder an die DABA zurücktransferiert werden.

Auf Nachfragen erklärte die Justizsenatorin Limbach, ihr Staatssekretär Schomburg fühle sich von der SZ mißverstanden. Wieso die SZ ihn aber sehr detailliert zitieren konnte, wußte sie nicht zu erklären. Erst unmittelbar vor der Sitzung habe ihr der Staatssekretär einen handschriftlichen Brief mit detaillierten Erläuterungen zugesteckt. Eventuelle dienstrechtliche Konsequenzen wolle sie mit „mehr Wissen und Nachdenklichkeit“ erwägen.

Schomburg hatte u.a. Spekulationen über weiterarbeitende Stasi-Seilschaften angestellt. Die Oberstaatsanwältin Bräutigam erklärte dagegen, es gebe nur „Gerüchte“ und „keine begründeten Anhaltspunkte“ dafür, daß die Haupttäter des Devisen-Rings Stasi-Offiziere seien.

Offenbar hat es seit Anfang September deutsch-deutsche Ermittlungslücken gegeben. Hartnäckig verwies die Oberstaatsanwältin darauf, daß sie erst seit dem 4. Oktober für Ostberlin zuständig ist und deshalb der Erkenntnistand noch gering sei. Darüber, was und wie vorher ermittelt worden war, könne sie nichts mitteilen, weil das außerhalb ihrer Kompetenz liege. Die polizeilichen Operationen in den ostdeutschen Bundesländern wurden von West- Beamten durchgeführt, da aufgrund alter Kontakte zwischen DDR-Polizei und Staatssichheit befürchtet wurde, die Betroffenen könnten gewarnt werden. K.W.