„Top Spin“ — Noch keine hat sich übergeben

■ Der neueste Hammer unter den Vergnügungsmaschinen / Entwicklung der Bremer Maschinenfabrik Huss

Von oben qietscht es begeistert. Die Menge unten steht und staunt. Einige müssen sich wegdrehen: Schon vom Zuschauen dreht sich manchem der Magen rum. Die riesige Hollywoodschaukel kommt zum Stillstand. Schon vorbei? Beileibe nicht: Sachte setzt die Maschine an, hebt die Schaukel diesmal nach hinten, langsam. Von unten ahnt man es — das Kippen scheint unausweichbar. In der ersten Runde fällt die Schaukel noch schlicht auf die Menge zu. In der nächsten dreht sie sich auch noch über Kopf — Haare und Füße wirbeln dicht an den ZuschauerInnen vorbei. Jede Gemütsbewegung ist in den Gesichtern der Vergnügungssüchtigen zu sehen: Hinter armdicken Sicherheitsbügeln sitzen sie frontal aufgereiht vor ihrem Publikum.

Menschenmassen umlagern diese Gemeinheit, die den altehrwürdigen Begriff „Karussell“ zur Lächerlichkeit macht. In dieser Straße ist kein Durchkommen mehr. „Top Spin ist der Hammer“, sagt Horst Ludewigt, Besitzer der Vergnügungsmaschine und Freimarkt-Beschicker einer Oldenburger Schausteller-Familie in der dritten Generation. Ludewigt hatte die sensationelle Neuheit der Bremer Herstellerfirma Huss quasi als „Katze im Sack“ nur nach Konstruktions- Zeichnungen abgekauft: Für 2,5 Millionen Mark.

„Es hat sich noch keiner übergeben“, beteuert der Betreiber. Selbst Familienangehörige über 40 ließen sich von ihren Kids zur Fahrt animieren. „Es ist optisch schlimmer als von drinnen“ versichert der Besitzer. Abrupte Bewegungen kommen nicht vor.

Das bestätigen auch die Ingenieure der Maschinenfabrik Huss, die mit dem Oktoberfest zwei Prototypen auf den Vergnügungsmarkt schickten. Ein Jahr haben Entwicklung und Herstellung der Anlage von der ersten Zeichnung bis zur Premiere mit Fahrgästen gedauert. TÜV und Flugmediziner waren von Anfang an beteiligt: „Top Spin ist nichts Sensationelles“ erklären sie einstimmig. Die sich doppelt drehende Hollywoodschaukel macht in ihrem Techno-Jargon „eine einfache Rundbewegung.“

Der Mensch wird dabei zwar rasend schnell, aber immer nur um seine vertikale Körperachse bewegt. Die Flugmediziner, die darauf achten, was einem normalen Menschen zuzumuten ist und die Einhaltung der zulässigen Werte überwachen, haben bei den begleitenden Messungen festgestellt: Die Beschleunigung liegt in der Regel unter der fünffachen Erdbeschleunigung. Lediglich 0,4 Sekunden lang wirken 6,5 g auf den Fahrgast (ein Pilot im Schleudersitz wird mit einer Erdbeschleunigung von 14 g durch die Luft gewirbelt).

Auch Schrauben, Schweißnähte und Statik sind bei den Huss'schen wie bei allen deutschen Anlagen sicher. Selbst ein Stromausfall ließe die Gondel nicht abstürzen: Es werden nur selbstschließende Relais verwendet, die den Bewegungsablauf sicher zu Ende bringen. Die Anforderungen und Überprüfungen nach bundesdeutschen Standards (der DIN 4112 für „Fliegende Bauten“) sind maximal — was sich mit Öffnung des Binnenmarktes 1992 ändern könnte.

Erste Fans reisen dem „Top Spin“ schon hinterher. In der Huss'schen Maschinenfabrik jagen sie Prospekten und Aufklebern hinterher. Ob sich die Vergnügungsmaschine auch über den durchschnittlich zweijährigen Neuheitseffekt hinaus auf dem Markt halten wird, wie der bisherige Renner „Break Dance“, ist noch offen. Birgitt Rambalski