50 Buden und Karussells müssen weg

■ Freimarkt-Panik / Drittgrößte Wiese schrumpft für Stadthallenzugang

Warum sind die SchmalzbäckerInnen auf dem Freimarkt in diesem Jahr so hübsch und die Fahrchip-VerkäuferInnen so freundlich? Alle BetreiberInnen von Freimarktgeschäften haben mit ihrer Anmeldungsbestätigung in diesem Jahr einen „roten Zettel“ bekommen, auf dem geschrieben steht, daß sie vielleicht im nächsten Jahr nicht mehr dabei sind, weil der Freimarkt verkleinert wird. Manches Geschäft steht seit dreißig oder vierzig Jahren in der Schneise, durch die der Zugang vom Lloyd-Tunnel zum neuen Veranstaltungszentrum der Stadthalle verlaufen soll. 10.000 der 110.000 Freimarkt-Quadratmeter wird das Projekt verschlingen. In diesen Tagen nimmt der behördeneigene Marktmeister Wolfgang Ahrens in Augenschein, welches Geschäft „nicht mehr den Qualitätsansprüchen genügt“. Deshalb geben sich die BetreiberInnen alle Mühe. Aber die Stimmung hinter der Fassade ist getrübt.

„Rund 50 der 360 Geschäfte werden betroffen sein“, so Ahrens. Und dabei sind alle schon enger zusammengerückt, als die Eislaufhalle und die Halle V der Stadthalle gebaut wurden. Zwischen den Wohnwagen können die Schaustellerfamilien kaum noch treten. „Schöne Scheiße“, faßt ein Losbuden-Mann zusammen, „da wird es für viele um existentielle Fragen gehen“. Besonders diejenigen, die in der „Gefahrenzone“ stehen, fühlen sich bedroht.

Wer wird der Auswahl zum Opfer fallen? Was die von Ahrens genannte „Qualitätsansprüche“ bedeuten, wissen die freundlichen SchmalzbäckerInnen: „Es kommt doch nur auf die Optik an. Das Geschäft, bei dem der Chef besoffen in der Ecke liegt, fliegt raus. Aber eigentlich haben auch wir keinen Einfluß.“ „Besonders fürchten müssen sich diejenigen“, sagt sie, „die gleich zehn oder zwanzigfach vertreten sind“. Dazu gehört auch sie mit fünfzehn Schmalzgebäck-KonkurrentInnen.

Ein junger Mann in einer Schießbude — mit zwanzig KonkurrentInnen — hofft, daß auf ältere SchaustellerInnen Rücksicht genommen wird und daß es darauf ankommt, wie lange frau schon dabei ist. Und schließlich sei für den Marktmeister interessant, wo die SchaustellerIn Steuern zahlt: „Wer nicht aus Bremen kommt, hat schlechte Karten.“ Als nächstes sind diejenigen dran, die mehrere Geschäfte haben, „obwohl Familien mit drei Kindern schon ihre zwei Geschäfte zustehen. Aber bei manchen muß man sich wundern, da kann nur Bestechung im Spiel sein.“

Daß Angst und Panik dieses Jahr die Stimmunng unter den Freimarkt-Schaustellern trüben, bestätigt auch der Vorsitzende des Landesverbandes der Schausteller und Marktkaufleute in Nord-Niedersachsen und Bremen, der Brezelbäcker Karl- Heinz Strohmann. Er hofft, daß es nicht zu „Ungerechtigkeiten“ kommen wird. „Wenn sie gerechtfertigt sind“, wird er auch Klagen unterstützen. Der Innensenator habe zugesagt, an den verbleibenden 100.000 Quadratmetern nicht zu rütteln. „Aber in Bremen ist alles möglich“, befürchtet Strohmann, „wer weiß, vielleicht brauchen sie plötzlich Platz für Bushaltestellen oder Taxistände“. bear