Nachtflugverbot: Läßt Bremen sich erpressen?

■ Jumbo-Landung um Mitternacht / Fluggesellschaft: „Sonst gehen wir nach Hannover“

Die Flughafenanrainer hatten gerade ihre erste Tiefschlafphase verlassen, als sie in der Nacht vom 5. zum 6. Oktober der liebliche Klang einer Boing 737-300 aus allen Träumen riß. Die Maschine der Kölner Fluggesellschaft „Germania“ mit 150 Pssagieren aus Palma de Mallorca setzte genau 23.25 zur Landung auf dem Bremer Flughafen an: 55 Minuten später, als die Betriebsgenehmigung des Flughafens erlaubt.

Denn in Bremen herrscht Nachtflugverbot. Zwischen 6.30 und 22.30 Uhr darf kein Flugzeug über die Bremer Rollbahnen starten oder landen, wegen der Nachtruhe der rund 1.000 Menschen, die in der Einflugschneise des Flughafens wohnen. Ausnahmen müssen vom Verkehrssenator genehmigt werden. „Das ist eigentlich nur der Fall, wenn die Maschine einen sog. VIP an Bord hat oder die Landung von öffentlichem Interesse ist“, erklärte Karl-Otto Kretschmann aus der Rechtsabteilung des zuständigen Senators.

Weil 150 mehr oder weniger braungebrannte Mallorca-Urlauber weder VIPs noch öffentlich interessant sind, gibt es offenbar noch einen weiteren Grund, der einen nächtlichen Landeanflug erlaubt. Der liegt in diesem Fall möglicherweise in dem besonders forschen Auftreten des Geschätsführers der „Germania“, Hinrich Bischoff.

Bischoff war nämlich an Kretschmann herangetreten, nachdem am 28. September seine Freitagsmaschine mit der üblichen Verspätung tatsächlich keine Sondererlaubnis bekommen hatte und nach Hannover fliegen mußte. Bischoff drohte, daß er sein Flugzeug künftig in Hannover landen lassen werde, wenn sich der Senator weiter weigere, eine Sondergenehmigung bei Verspätung auszusprechen. Übliche Landezeit des Urlauberfliegers: 22.20 Uhr. Übliche Verspätunng: Immer.

Bischoff mußte an diesem 28. September unangenehm tief in die Konzerntasche greifen, weil die Passagiere der umgeleiteten Maschine mit einem Bus von Hannover nach Bremen gebracht werden mußten, Und am nächsten Morgen flog die 737 doch wieder zur Wartung nach Bremen zurück.

Die Drohung des Geschäftsführers zeigte Wirkung, denn eine Woche später fluppte es für den Touristenflieger. Die Maschine, wie jeden Freitag hoffnungslos zu spät, trudelte halb vor Mitternacht über Bremen ein und landete mit Sondergenehmigung. Offensichtlich wurde diese aus der Angst heraus erteilt, daß der Kölner Bischoff seine unchristliche Drohung wahrmachen könnte.

Bischoff selbst verweigerte gegenüber der taz eine Stellungnahme zu diesen Ereignissen. Auch war er nicht dazu bereit, Auskunft über seinen geplanten Abgang aus Bremen zu geben. Karl-Otto Kretschmann vom Verkehrssenator vermutet Flugsicherheitsgründe für die Erteilung der Sondererlaubnis. „Gerade am Wochenende können die Maschinen wegen der Überfüllung des Flugraums in Hannover nicht landen.

Doch das kann nicht stimmen, denn die Landeerlaubnis für das Flugzeug lag bereits vor, noch bevor sich der Jet in Palma de Mallorca in die Luft hob.

Die Sondergenehmigungen für Nachtmaschinen häufen sich. Im letzten Jahr landeten 360 Flugzeuge noch nach 22.30 Uhr, in den ersten sieben Monaten dieses Jahres waren es schon wieder 168.

Markus Daschner