„Subventionskrieg wäre tödlich“

■ Nicht nur Argentinien droht mit Auszug aus der Gatt-Runde

Genf (taz) — Die taktische Ausgangslage für die Gatt- Verhandlungen hat sich diese Woche verändert. Die Strategie der EG, Festlegungen über die Kürzung von Agrarsubventionen nicht bei den in Genf laufenden Beratungen zu treffen, sondern auf die abschließende Ministerrunde Anfang Dezember in Brüssel zu verschieben, ist kaum mehr durchzuhalten. Damit würde auch das Kalkül der Bonner Regierung nicht aufgehen, über die insbesondere in Deutschland höchst unpopuläre Kürzungsmaßnahmen erst nach der Bundestagswahl am 2.Dezember zu entscheiden.

Der Grund für die veränderte Situation: Vor allem die Drittwelt-Staaten wollen vermeiden, daß ihre Interessen unter dem Einigungsdruck der abschließenden Ministerrunde von den drei Wirtschaftsgroßmächten EG, USA und Japan unberücksichtigt bleiben. Sie bestehen darauf, daß eine Einigung im Agrarbereich wie bei den Themen Textil und Dienstleistungen bis spätestens Ende November in Genf erzielt wird.

Der argentinische Landwirtschaftsminister Felipe Sola hatte bereits am Donnerstag angekündigt, falls bis spätestens Ende November keine „befriedigende Einigung“ im Agrarsektor erreicht ist (siehe gestrige taz, leider mit falscher Namensschreibung), werde sein Land die Verhandlungen verlassen und auch keine Vereinbarungen in den Bereichen Textil und Dienstleistungen unterschreiben.

Der argentinische Botschafter in Genf erklärte inzwischen gegenüber der taz auf der Basis von ersten Konsultationen zwischen Drittwelt-Staaten, daß bis zu 50 Länder zu entsprechenden Schritten bereit seien. Darunter seien neben den meisten lateinamerikanischen sowie zahlreichen asiatischen und afrikanischen Staaten auch Australien und Neuseeland, deren Wirtschaft stark von Agrarexporten abhängig ist.

Landwirtschaftsminister Sola begründete die Haltung seiner Regierung in einem Interview.

taz: Warum drohen Sie mit dem Auszug aus den Verhandlungen?

Sola: 66 Prozent der argentinischen Exporte sind landwirtschaftliche Produkte. Unter einem Scheitern der Verhandlungen oder einem unbefriedigenden Ergebnis würde Argentinien ganz besonders leiden. Ein Beispiel: Wegen der hohen EG-Subventionen erhält ein französischer Bauer heute dreimal soviel Geld für seine Produkte wie ein argentinischer Bauer für dieselben Erzeugnisse. Vor einem Jahr erzielten wir für die Tonne Weizen noch 150 US-Dollar auf dem Weltmarkt, jetzt nur noch 80. Weil der für Argentinien bislang wichtige irakische Markt wegen des Embargos nicht mehr zugänglich ist, suchen wir neue Abstzmöglichkeiten im Iran. Frankreich hat der Regierung in Teheran vor zwei Wochen mitgeteilt, es werde jedes argentinische Weizenangebot — egal wie es ausfällt, um fünf US-Dollar pro Tonne unterbieten.

Was wäre für Sie ein befriedigendes Ergebnis?

Wir haben im Rahmen der „Cairns“-Gruppe den Vorschlag für die Kürzung der internen Agrarsubventionen um 75 Prozent und der Exportbeihilfen um 90 Prozent im Zeitraum 1991 bis 2001 gemacht. Darüber sind wir verhandlungsbereit. Aber der bisher innerhalb der EG diskutierte Vorschlag von 30 Prozent Reduzierung der internen Subventionen ist völlig unzureichend und führt nicht zu der notwendigen Änderung der bisherigen protektionistischen Politik.

Von EG-Seite wurde in die Diskussion gebracht, im Dezember nur ein Rahmenabkommen zu vereinbaren und die Details und Zahlen danach auszuhandeln oder aber die ganze Verhandlungsrunde bis zum 1. März zu verlängern. Könnten Sie einer dieser beiden Verfahrensweisen zustimmen?

Nein, unter gar keinen Umständen.

Die „Cairns“-Gruppe hat wie die USA für den Abbau der Subventionen einen Zehnjahres-, die EG einen Fünfjahreszeitraum vorgeschlagen. Sind Sie in dieser Frage verhandlungsbereit?

Nein.

US-Landwirtschaftminister Yeutter hat für den Fall eines Scheiterns der Agrarverhandlungen vor einem Subventionskrieg gewarnt. Wie bewerten Sie diese Aussicht?

Das wäre tödlich für Argentinien und viele andere Staaten. Die USA haben allerdings bislang schon ihre Subventionen kräftig erhöht, zum Beispiel für Weizen innerhalb des letzten Jahres von zehn auf 50 Dollar.

Andreas Zumach