Das Gespenst von Vietnam

Bush verweigert dem Kongreß das Mitspracherecht bei einem eventuellen Angriff auf den Irak  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Außenminister Bakers Antwort auf die besorgte Frage nach einer Konsultation des Kongresses vor einem Überraschungsangriff der USA gegen Saddam Hussein war kurz und knapp. Eine solche Mitsprachegarantie könne er nicht geben, da sie die militärische Flexibilität des Präsidenten als Oberkommandierenden der Streitkräfte einschränken würde. Senatoren wie der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses, Clyborne Pell, bestehen jedoch auf dem verfassungsmäßigen Recht des Kongresses, den Krieg zu erklären und warnten Präsident Bush vor einem eigenmächtigen militärischen Vorgehen im Golf.

Zu der Neuauflage dieses klassischen Streites zwischen Exekutive und Legislative ist es in den letzten Tagen wieder gekommen, weil sich die Kongreßmitglieder in Washington für ihre Parlamentsferien rüsten. Sie befürchten, daß die Entscheidung über eine militärische Attacke gegen Hussein von Präsident Bush getroffen werden könnte, ehe sie nach dem Überstehen der Kongreßwahlen vom 6. November erst Anfang Januar wieder in die Hauptstadt zurückkehren werden.

Senat und Repräsentantenhaus hatten der Nahostpolitik des Präsidenten zwar in den letzten Wochen zweimal ihr grundsätzliches Vertrauen ausgesprochen, ihn jedoch gleichzeitig gewarnt, dies nicht als „Blankoscheck“ für militärische Aktionen zu verstehen.

Doch nur eine Handvoll Abgeordneter hat bisher die Heranziehung der nach dem Vietnamkrieg geschaffenen „War Powers Resolution“ gefordert, nach der sich der Präsident nach einer Frist von 60 Tagen jede Truppenentsendung in Krisen- oder Kriegsgebiete vom Parlament bestätigen lassen muß. Viele halten das Gesetz für lästig oder unpraktikabel; die Präsidenten Reagan und Bush haben es bei den jeweiligen Truppenentsendungen in den Libanon, nach Grenada oder Panama geflissentlich ignoriert. Hinter den Protesten der kritischen Senatoren steht die Erfahrung mit der „Golf-von-Tonking- Resolution“, die im August 1964, nach einem von der Johnson-Administration manipulierten Kriegsvorwand, mit nur zwei Gegenstimmen den Beginn des Vietnam-Krieges ohne formelle Kriegserklärung legitimiert hatte.

Um ein solches Schlittern in einen erneuten militärischen Konflikt zu verhindern, verlangten jetzt einige Kongreßmitglieder die Einberufung einer Sondersitzung des Kongresses im Falle bewaffneter Auseinandersetzungen, andere fordern die vorübergehende Einrichtung eines Kongreß-Sonderausschusses, der während der Parlamentsferien in Washington die Wacht halten solle. Aber schon dieser Vorschlag ist Aussenminister Baker zuviel der demokratischen Kontrolle.