: Lieben Sie Brahms?
■ Lange Musiknacht am Samstag / Lustvolles Musikerlebnis im Bremer Dom
Bereits seit acht Jahren gibt es im Dom „Eine Nacht für...“ einen Komponisten — in Deutschland wohl einzigartig. Initiator dieser Idee ist Domkantor Wolfgang Helbich: „Es geht vor allem darum, an verschiedenen Stellen des Kirchenraumes verschiedene Werke eines Genres zu musizieren: Orgel-, Kammermusik, Chor-und Orchesterwerke. Dabei nehmen wir die großen Dimensionen des Raumes zur Chance, ihn einmal aus verschiedenen Blickwinkeln erlebbar zu machen. Und gleichzeitig kann man seine Erfahrungen mit einem Komponisten vertiefen.“
Der Organisationsaufwand für ein solches Unternehmen ist immens. Die Planung teilen sich das Kantorat und Radio Bremen, das auch diese sechste Nacht live aus dem Dom überträgt. Klassik-Redakteur Jürgen Brüggebors: „Drei Tage lang hat hier ein gutes Dutzend Leute alle Hände voll zu tun. Mit den Vorbereitungen sind bei Radio Bremen überdies etliche Leute wochenlang beschäftigt.“ Bevor ein so umfangreiches Unternehmen in die heiße Phase tritt, sind langwierige Vorarbeiten nötig. Aber, fügt Brüggebors hinzu: „Immer, wenn eine Nacht vorbei ist, wird am nächsten Tag schon wieder besprochen, was im nächsten Jahr stattfinden wird: 1991 eine Mozart-Nacht zum 200.Todestag des Komponisten, wahrscheinlich im Dezember.“ Natürlich passiert auch viel Unvorhergesehenes. So sagte in diesem Jahr drei Tage vor dem Konzert die Altsolistin ab — nach fieberhafter Suche konnte erst im letzten Moment ein Ersatz gefunden werden. Dies bedeutet schweißtreibenden Zusatzstreß.
Um das Orchester kümmert sich der Solohornist des philharmonischen Orchesters, Joachim Kluge. Die „Kammersinfonie“ stellt er aus Studenten und Absolventen verschiedener Musikhochschulen zusammen. Die Musikeradressen finden sich in einer Computerkartei, die Kluge „hütet wie den Schatz der Nibelungen“, so Brüggebors. Die in diesem Jahr Mitwirkenden sind guter Dinge. Ein Mitglied: „Es ist erstaunlich, daß wir in so kurzer Zeit so gut zusammenspielen.“ Dabei bedeutet die Brahms-Nacht besonders für sie harte Arbeit - mehrere randvolle Probentage und ein von einem Orchester allein kaum zu bewältigendes Programm. So etwas kann man nur in einer unglaublich tollen Arbeitsatmosphäre durchstehen: „Es macht einen Riesenspaß! Die sind so begeisterungsfähig, daß man mit ihnen auch über das Stück reden kann, fernab von blödem technischen Gerede“, schwärmt Helbich. Überhaupt ist für ihn der Spaß an der Sache daß Allerwichtigste. Helbich strahlt unbändige Musizierlust aus. Es ist ihm Herzenssache, daß alle soviel wie möglich davon haben. Dies ist auch für die Domchor-SängerInnen die beste Motivation. Sie genießen sein intensives Mitempfinden beim Dirigieren. Manche finden, er gleiche dabei einem verzückten Barockengelchen, nennen ihn liebevoll ihren „emotionsgeladenen Barock-Knubbel“.
Die ZuhörerInnen waren auch in diesem Jahr begeistert — die meisten blieben bis nach Mitternacht bei der Stange, und der Schlußapplaus in der gerammelt vollen Kirche wollte kein Ende nehmen. Gunnar Cohrs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen