Eine Legende bekommt Schlagseite

■ Die Wasserball-Freunde Spandau besiegten SC Neukölln mit 22:11, doch die Meister werden alt

Schöneberg. Normalerweise, so war vor dem Spiel im Lager des Schwimmclubs Neukölln zu hören, haben wir gegen die Wasserfreunde Spandau keine Chance. Aber was läuft schon nach Plan in der diesjährigen Wasserball-Bundesliga? Daß der Neuling aus Neukölln ohne Pluspunkt die rote Laterne sein eigen nennt, war vorauszusehen. Sorgen bereitet der Berliner Fangemeinde jedoch die Zukunft des bundesdeutschen Aushängeschildes.

Quo vadis, Spandau 04? Nach dem vorzeitigen Aus im Europacup gegen Neapel woll(t)en die alten H2O-Heroen nicht mehr. Die vielen Meistertitel auf nationalen und internationalen Gewässern hatten sie satt gemacht. Andreas Erl hängt die Badehose an den Nagel und Dirk Theismann, der wurfgewaltige Linkshänder, wechselte vor dieser Spielzeit des Berufes wegen nach Westdeutschland. Der Rest der glücklichen »Spandauer Familie«, wie sich der Verein gerne nennt, verrichtete fortan Trauerarbeit.

Gegen den Ortsrivalen Neukölln war von der alten Gloria nicht mehr viel zu sehen. Vielleicht lag es auch daran, daß sich die wenigen Überlebenden aus den fetten Meisterjahren im Hintergrund hielten: Wolfgang Röhle, der Ausnahmetorwart eines ganzen Jahrzehnts, überließ seinen feuchten Arbeitsplatz während der gesamten Spielzeit dem Nachwuchsmann Bernd Jatzlau. Hagen Stamm, der Gerd Müller des Wasserballs, mühte sich mehr schlecht als recht, seinem Ruf eines mit allen Wasser gewaschenen Torjägers gerecht zu werden. Ein einziges Törchen gelang ihm in der Schöneberger Schwimmhalle. Meistens begrub er sein Antlitz, das schon in so viele blinkende Pokale blicken durfte, im zwei Meter tiefen Wasserbecken. Bliebe von den alten Haudegen noch Spielmacher Armando Fernandez. Er wollte es gegen Neukölln seinem fußballernden Namensvetter Maradona gleichtun, räkelte sich mit technischer Finesse in einem Element, schraubte sich über die Wasseroberfläche und lugte aus chlorverklärten Augen nach seinen anspielbereiten Nachfolgern. Doch die beiden Carstens (Kusch und Richter mit Namen) sind noch nicht so weit, ihren erfolgreichen Altvorderen das Wasser zu reichen, auch wenn sie gegen die Neuköllner fleißig punkteten. Am besten schlugen sich in der Offensive noch Piotr Bukowski und Roman de la Pena sowie mit Abstrichen René Reimann.

Zum Glück für die Spandauer zeigten sich die Ortsrivalen von der erwartet schwachen Seite. Bloß Torhüter Klaus Schäfers und der als trainingsfaul verschrieene Ex-Rumäne Catalin Noiceanu entsprachen in etwa Bundesliganiveau. Die Neuköllner gingen folglich haushoch mit 22:11 baden. Es wird für sie, da sie in den vergangenen drei Wochen mangels Schwimmbecken nicht trainieren konnten (!) schwer werden, sich vom Tabellenende abzusetzen.

Trotz aller Auflösungstendenzen wettet Wasserball-Berlin auf einen erneuten Bundesliga-Meistertitel seiner Freunde. »Die Gegner von Spandau haben doch jedesmal die Hosen voll, wenn sie hierher kommen. Die merken doch gar nicht, daß die meisten der alten Garde nicht mehr mitspielen«, höhnte das Volk auf der Tribüne. Wie sollten sie auch, wenn die Spandauer Abwehr die Gegenspieler jedesmal ohne Ansehen der Person jäh und ohne Erbarmen in die Tiefen des Beckens taucht? Jürgen Schulz