Sozialarbeit und Garagenmusik

■ Der Pilotfilm zur neuen Serie „21, Jump Street“ um 21.10 Uhr, auf RTL plus

In der unruhigen zweiten Hälfte der sechziger Jahre waren in den USA Polizisten nicht sonderlich angesehen unterm Jungvolk. Dieser Umstand zwang die Produzenten von Fernsehserien, sich Gedanken zu machen über die Gestaltung ihrer Krimireihen, wenn sie das junge Publikum nicht verlieren wollten. Die Lösung: „Find some swinging young people who live the beat scene. And get them work for the cops.“ So wurde 1968 in Anzeigen des Senders ABC das Konzept der neuen TV-Serie The Mod Squad beschrieben, deren Hauptdarsteller als Repräsentanten der damaligen Jugend verkauft wurden.

Da gab es Pete, einen mißratenen Lümmel aus bürgerlichen Verhältnissen, den ein aus Übermut begangener Autodiebstahl mit den Mühlen der Strafverfolgungsbehörden bekannt machte. Die blonde Julie dagegen stammte aus einem eher asozialen Milieu und war wegen Landstreicherei aktenkundig geworden. Die rassischen Minoritäten vertrat Linc, laut Serienlegende ein im Ghetto aufgewachsener schwarzer Militanter mit gepflegtem Afrolook. Diese drei wurden als Undercover- Agenten rekrutiert und bekamen so die Chance zur Rehabilitierung — eben als Mod Squad oder, so der deutsche Titel, Twen Police. Die von Aaron Spelling und Danny Thomas produzierte Sendereihe lief einigermaßen erfolgreich bis 1973; 1979 folgte ein TV-Film mit den gleichen Charakteren. 1983 versuchte man mit The Renegades das alte Konzept zu aktualisieren. Als Subkultur- Cops agierten Amerikaner hispanischer und orientalischer Abstammung, doch die Neuauflage der alten Idee blieb erfolglos.

Anders dagegen die 55teilige Serie 21, Jump Street, die 1987 in den USA entstand. Hier sind es nicht jugendliche Straftäter, sondern vier ausgebildete Polizisten, die sich in den diversen Subkulturen bewegen und besonders unter den berüchtigten Streetgangs und jungen Kriminellen an den Highschools ermitteln. Die Autoren dieser Serie bemühen sich um Authentizität und realistische Darstellung, auch wenn der Unterhaltungswert nicht vernachlässigt wird. In den einzlenen Folgen werden aktuelle Themen behandelt und dabei auch heiße Eisen angefaßt, sei es Drogenmißbrauch, Aids, sexueller Mißbrauch von Kindern oder Analphabetismus. Zum Konzept der Serie gehört es, in die Spielhandlung die Adressen von real existierenden Beratungsstellen einzubetten — mit erstaunlichen Resultaten. Institutionen wie die „National Aids Hotline“, das „National Center for Missing and Exploited Children“ oder „Home Run“ verzeichneten eine Fülle von Anrufen und Anfragen im Anschluß an jene Folgen der Serie, in denen ihre Adressen und Telefonnummern genannt wurden. Nach einer Sendung zum Thema konnten die Behörden aufgrund von Hinweisen einiger Betroffener sogar Verbrecher dingfest machen, die Kinder für pornographische Aufnahmen mißbraucht hatten.

Möglicherweise hängt dieser Erfolg mit einer gewissen Glaubwürdigkeit der Darsteller zusammen. Johnny Depp, bei uns bekannt aus John Waters Kinofilm Cry Baby, hat selbst Drogenerfahrung. Er steht als zuweilen etwas ungeschickt und unüberlegt operierender Officer Tom Hanson im Mittelpunkt des Geschehens. Dustin Nguyen als Officer Harry Truman Ioki kam 1975 als vietnamesischer Flüchtling in die USA und kennt die Probleme ethnischer Minderheiten aus eigenem Erleben. Die schwarze Schauspielerin Holly Robinson begleitete ebenso wie Steve Williams, in der Rolle des Captain Fuller in der Serie so etwas wie der „Übervater“ des Quartetts, Polizisten bei ihren Streifengängen, um sich auf die Serie vorzubereiten. Peter de Luise schließlich ist der vierte im Bunde der ungewöhnlichen Cops. Heute zeigt RTL um 21.10 Uhr den Pilotfilm zur Serie (künftig donnerstags 19.10 Uhr im Programm), in dem Tom Hanson alias Johnny Depp vom gewöhnlichen Streifendienst zu den Paradiesvögeln versetzt wird, die in einer ehemaligen Kapelle an der Jump Street ihr Hauptquartier haben und von dem ehemaligen Woodstock-Hippie Captain Jenko auf ihre Einsätze vorbereitet werden. Gespielt wird der erklärte „Dead-Head“ und Hobbymusiker Jenko von Frederic Forrest, bekannt als „Hammett“ aus Wim Wenders gleichnamigen Film. Der junge Hanson, der so gern Vater wäre, aber eher eine Gefährdung für seine Partner darstelle, muß sich mit den unkonventionellen und vor allem unbürokratischen Methoden seiner neuen Kollegen erst anfreunden. Nachdem er gelernt hat, daß Jenko Freitagabends Garagenmusik macht und darum keine Berichte entgegennimmt und sich auch anderweitig bewähren konnte, darf er schließlich in die Band seines Captains einsteigen — und das ist wohl der Beginnn einer wunderbaren Freundschaft... Harald Keller