Geiseln, Gäste, Ingenieure

■ Die Deutschen im Irak und das Auswärtige Amt KOMMENTARE

Willkommen zu Hause — Bravo Kurti!“ Als es Kurt Waldheim Ende August gelang, die österreichischen „Gäste“ Saddam Husseins vom Tigris an die Donau zu verfrachten, bereitete ihm die Alpenrepublik einen triumphalen Empfang. Doch noch während der Wiener Präsident die „sehr schöne Geste“ des Bagdader Präsidenten lobte, wurde bereits internationale Kritik am österreichischen Alleingang laut. Da war vom „Ausscheren aus der Solidaritätsfront“ die Rede, vom „humanitären Erfolg auf Kosten anderer“ und von einer verhängnisvollen Philosophie des „Rette sich, wer kann“.

Doch längst hat ein umfassender Erosionsprozeß die Fundamente der „Geiselstandhaftigkeitsfront“ ausgehöhlt, geben sich Politiker und Diplomaten, Gesandte und Medienstars in Bagdader Ministerien die Klinke in die Hand. Alle sind beseelt von dem erhebenden Gedanken, ein paar Geiseln zu retten. Einen Anstieg der eigenen Popularitätskurve nehmen sie dabei — freilich nur billigend — in Kauf.

Der Bagdader Präsident benutzt dabei die „Gäste“ als eine Art diplomatischer Währung. Den entsprechenden Tauschwert setzt er an der Börse der internationalen Politik fest. Für die Nichtentsendung von Truppen im Rahmen der multinationalen Golf-Kontingente darf das jeweilige Land — wie im Falle Österreichs geschehen — sein gesamtes mesopotamisches Menschenkonto beheben. Staaten, die sich beim Truppenaufmarsch oder bei Umsetzung des UNO-Embargos exponieren, müssen selbstverständlich damit rechnen, daß ihre Staatsbürger an strategisch wichtigen Punkten „deponiert“ werden. Als „Venture“-Kapital quasi. Menschen aus arabischen und islamischen Ländern dagegen, selbst wenn deren Regierungen zusammen mit den Amerikanern im saudischen Sand schmoren, erhalten keinen „Gäste-Status“. Denn immerhin will Saddam eine panarabische, ja panislamische Front gegen die „amerikanisch-zionistische Verschwörung“ und deren feudale Helfershelfer vom Golf führen.

Zunehmend regt sich nun Unmut und Verbitterung bei den Angehörigen der im Irak festsitzenden Deutschen. Mit Blick auf die mehr oder weniger clandestinen Aktivitäten anderer Regierungen in der Geiselfrage fordern nun auch sie „zusätzliche Aktivitäten der Bundesregierung“. Zwar sicherte das Bonner Außenministerium den Angehörigen der etwa 400 Deutschen im Irak und in Kuwait Hilfe zu. Die Entsendung eines hochrangigen Bonner Vertreters nach Bagdad lehnt man aber kategorisch ab. Wer schon keine Truppen an den Golf entsenden darf, so scheint man im Außenamt zu denken, muß wenigstens in der Geiselfrage Entschlossenheit zeigen.

Freilich, die meisten der in Bagdad festgehaltenen Deutschen wußten vor ihrer Reise ins Zweistromland, wohin sie fahren und woran sie dort arbeiten würden. Das Gejammer vieler Mitarbeiter von Rüstungsfirmen, die sich nun gebärden, als seien sie Franziskanermönche, die in Bagdad nur zur Armenspeisung antreten wollten, wirkt wenig glaubwürdig. Ihre extraordinären Löhne, oftmals als „Blutgeld“ bezeichnet, waren nicht zuletzt als finanzielle „Risikoabfederung“ gedacht. Ohnehin stellt sich die Frage, ob nicht viele der im Irak Beschäftigten bei ihrer Rückkehr potentielle Zeugen für die Staatsanwaltschaft sind und sein könnten, die zur Zeit im Falle des Irak wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz ermittelt. Wirklich zu bedauern sind aber diejenigen, die zufälligerweise und nur aufgrund des „falschen“ Passes zu „Gästen“ von Saddam Hussein wurden. Walter Saller