Halbherzige Konsequenz aus Wahldebakel

Die bayerische SPD bekommt einen neuen Landesvorsitzenden/ Der Wahlverlierer will aber Fraktionsvorsitzender bleiben/ Organisationsreform als Zauberformel  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) — Nach der bislang schlimmsten Schlappe der Sozialdemokratie bei bayerischen Landtagswahlen soll jetzt zumindest ein Kopf rollen. SPD-Landesvorsitzender Rudi Schöfberger wird beim nächsten ordentlichen Landesparteitag seinen Platz freimachen für die stellvertretende Vorsitzende der SPD- Bundestagsfraktion Renate Schmidt aus Nürnberg. Der Forderung Schöfbergers, alle SPD-Spitzenfunktionäre müßten sich selbst in Frage stellen, will jedoch ausgerechnet Karl-Heinz Hiersemann, Spitzenkandidat und damit Wahlverlierer vom 14.Oktober, nicht nachkommen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag will auf seinem Sessel kleben bleiben und sich bei der morgigen Fraktionssitzung wieder um den Vorsitz bewerben. Er schloß aber eine erneute Spitzenkandidatur für die Landtagswahlen 1994 aus. Am 14.Oktober hatte die SPD mit 26,0% der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegszeit in Bayern erzielt. Hilflosigkeit kennzeichnete die ersten SPD-Wahlanalysen, und die Partei entdeckte wie schon vier Jahre zuvor (27,5%) den Nichtwähler als Sündenbock. Kurz nach den Wahlen hatte Renate Schmidt unisono mit Schöfberger eine Personaldebatte vor den gesamtdeutschen Wahlen am 2.Dezember kategorisch abgelehnt. Doch dagegen formierte sich schnell Widerstand in der Partei. Die Landtagsabgeordneten Gustav Starzmann aus Bad Reichenhall und Klaudia Martini aus Neu-Ulm forderten, „unbedingt nach dem schlechten Wahlergebnis ein Signal nach außen setzen, daß sich in der SPD etwas ändert“. Der Landwirtschaftsexperte Starzmann will jetzt gegen Hiersemann zum Fraktionsvorsitzenden kandidieren. Klaudia Martini, die bei der Landtagswahl mit 36,2% der Erststimmen ein um mehr als zehn Prozent besseres Wahlergebnis als ihre Partei erzielt hatte, forderte eine „Runderneuerung der Partei an Haupt und Gliedern“, und warnte, daß das „Wahlergebnis auch noch schlechter werden“ könne. Sie hielt insbesondere eine Anpassung der Organisationsstruktur der Partei an die politischen Gliederungen des Freistaats für entscheidend. Aber schon hat einer der drei mächtigen SPD-Bezirksfürsten, Peter Glotz von der SPD-Süd-Bayern, Widerstand signalisiert. Er warnte vor dem „Irrglauben, daß mit einer erneuten Organisations-Fummelei die Welt verändert werden“ könne.

Nach einer Unterredung mit dem SPD-Bundesvorsitzenden Jochen Vogel hatte dann Renate Schmidt, die mit dem sinnigen Slogan „Keine Frage: Renate!“ als bayerische SPD- Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf geht, kurz vor der Landesvorstandssitzung letzten Freitag ihr Interesse am Amt des Landesvorsitzenden angemeldet. Nach der sechsstündigen Krisensitzung betonte Schöfberger, daß ihm der Verzicht auf das Amt um so leichter falle, als der Landesvorsitzende der bayerischen SPD für „nichts zuständig, aber für alles verantwortlich“ und deswegen der „hundsgemeinste Job Bayerns“ sei. Er verlangte, ohne dies näher zu kritisieren, eine Erneuerung der politischen Inhalte der SPD. Die Partei müsse ihr „Verhältnis zu Bayern und ihre Rolle in Bayern“ neu definieren. Gerade Schöfberger hatte jedoch in der Vergangenheit immer wieder dafür plädiert, die weiß-blaue SPD müßte „bayerischer“ mit folkloristischem Anstrich sein. Landesgruppenchef Stiegler will jetzt die Alltagssorgen und -probleme in den Vordergrund des anstehenden Wahlkampfes rücken. Die SPD werde es nicht zulassen, daß „CDU und CSU bis zur Bundestagswahl mit dem Thema Deutsche Einheit alle anderen politischen Themen wegdrängen“. Wie er das anstellen will, verriet Stiegler nicht, auch Martini ist das ein Rätsel. Sie hofft, daß der Einfluß Bayerns in Gesamtdeutschland kleiner werde und damit auch der Einfluß der im Freistaat übermächtigen CSU. „Bayern wird ein normales Bundesland wie andere auch und die SPD ist immerhin ein Landesverband einer großen Bundespartei.“ Aber sie gibt zu, daß der SPD ein „sehr langer Weg“ bevorstehe, bis die Identifikation Bayern und CSU durchbrochen werden könne.