Der Bremer Wald erholt sich

■ Mehr als die Hälfte der Bäume sind gesund / Umweltsenatorin stellte Waldschadenserhebung für 1990 vor

Noch immer sind von den spärlichen 507 Hektar Bremer Waldflächen fast die Hälfte aller Bäume geschädigt. Doch immerhin ist die Zahl der als gesund eingestuften Bäume in diesem Jahr auf 54,6 Prozent (1989: 43,5 %) gestiegen. Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte wollte hinsichtlich des Waldsterbens aber nicht entwarnen: „Trotz dieser erfreulichen Zahlen kann niemand Prognosen abgeben, wie es im nächsten Jahr aussehen wird. Die Luftschadstoffe müssen weiter reduziert werden“, forderte die Senatorin gestern, als sie die Waldschadenserhebung des Landes Bremen für 1990 vorstellte. Bremen hatte die Analyse durchführen lassen, obwohl das Bundesministerium für Landwirtschaft und Forsten wegen der erheblichen Sturmschäden in diesem Jahr auf die bundesweite Erhebung verzichtet hatte.

Von den insgesamt 456 repräsentativ ausgewählten Waldbäumen, die für die Bremer Analyse alljährlich im August an 19 Standorten überprüft werden, stehen einige im Bereich der Ökologiestation. Unter deren Wipfeln führten die Umweltsenatorin, ihre Fachreferenten für Waldfragen und der beauftragte Wissenschaftler, Dr. Artok Suner aus Göttingen, vor, welche Informationen die numerierten Probebäume ihnen liefern.

Fünf Buchen: „Die sind gesund“

Die fünf in einem Kreis stehenden Buchen zum Beispiel waren gestern noch immer stark belaubt — die Blätter leuchteten gelb in der Sonne. „Die sind gesund“, stellte Baumexperte Suner fest. Von den Baumkronen könne man nämlich auch auf die Wurzeln rückschließen. Daß aus dem Blätterdach jedoch vereinzelte Äste ohne Seitentriebe herausragen, sei ein wichtiges Indiz: Dafür, daß ihnen der Boden langsam (durch Umwelteinflüsse) zu sauer wird. Denn dann bauen sie ihr Wurzelwerk nicht weiter aus, sogenannte „Krallenäste“ ohne Triebe spiegeln dies in der Krone wider.

„Sonst ist dies ein optimaler Standort für Buchen“, erläuterte Artok Suner den JournalistInnen. An der Ökologiestation, wo der Wald bewußt sich selbst überlassen wird, sprießen dann auch besonders Buchennachkömmlinge aus dem Boden. Allerdings mit relativ geringen Chancen: Das Wild knabbert die Triebe ab.

Trotzdem pflanzt das Amt für Forstwirtschaft, wo immer in Bremer Waldgebieten Neupflanzungen nötig sind, vor allem Buchen an (und schützt sie mit Zäunen gegen Wildschäden). Wie sinnvoll dies ist, zeigte sich auch an den Sturmschäden im Januar: Fichten, die alle künstlich in die Bremer Gegend verpflanzt wurden, fielen dem Sturm zuerst zum Opfer (insgesamt 777 Festmeter) — weil ihre flache Verwurzelung den vergleichsweise fest verankerten Buchenwurzeln weit unterlegen ist. Allein im Bereich der Ökologiestation waren 60 der 70 dort vom Sturm gestürzten Bäume Fichten.

Bremer Buchen sind auch vergleichsweise gesunder als Fichten: 61,1 % der Buchen zeigten keine der bundeseinheitlichen Schadensmerkmale, 34,7 % sind nach diesen Kriterien „schwach“ und die restlichen 4,2 „mittelstark“ geschädigt. Vom Bremer Fichtenbestand dagegen sind nur knapp 30 % als gesund einzustufen, 38,5 % dagegen leicht und 27,1 % mittelstark geschädigt. Über 5 % der Fichten im Bremer Wald sind abgestorben.

Stolz berichtete Umweltsenatorin Lemke-Schulte, daß bei den Laubbäumen insgesamt deutliche Verbesserungen eingetreten seien. Sie erklärte dies mit einem Rückgang sogenannter „biotischer Schäden“ — weil einige Schädlinge (wie der Buchenspringrüssler) durch eine erhöhte Aktivität ihrer natürlichen Feinde (Parasiten, Fraßfeinde) zurückgedrängt wurden. Die hatten offensichtlich den milden Winter dieses Jahres besser als in den vorangegangenen Jahren überlebt und schon im Frühjahr die Schädlingspopulationen stark dezimiert. „Dabei hat sich die strikte Zurückhaltung beim Einsatz von Insektiziden bewährt“, betonte Lemke-Schulte.

Zwischen den Probebäumen an der Ökologiestation bleiben übrigens auch längst abgestorbene Baumstämme stehen. Sie sind mittlerweile wiederbelebt: von ganzen Insektenvölkern. Und auch die im Januar von „Vivian“ und ihren stürmischen Schwestern entwurzelten Bäume werden dem Waldleben überlassen — vielleicht wird man sie irgendwann in den dortigen Naturlehrpfad integrieren.

Parkbäume sind vitaler

Das Göttinger Institut hat parallel zur Waldschadenserhebung auch Bremer Parkbäume untersucht. Nach einer Stichprobe mit 1.592 Laubbäumen stellte Dr. Suner fest: 85,6 Prozent der Bäume sind nach denselben Maßstäben als gesund zu bezeichnen, 12,8 % schwach als geschädigt. Dies bestätigten auch die ähnlich ausgefallenen Ergebnisse einer Analyse, die der Bürgerparkverein in Auftrag gegeben hatte: 85,5 % der Bürgerpark-Bäume sind gesund, 11,8 % schwach und 1,8 % stärker geschädigt.

Parkbäume sind demzufolge vitaler als die Waldbäume — weil sie aufwendiger gepflegt werden, weil sie oft günstigere Bodenverhältnisse haben und weil durch Neuanpflanzungen ihre Altersstruktur verjüngt wird.

In Bremen stehen den rund 500 Hektar Wald ca. 2.700 Hektar Grünfläche mit Parks und Friedhöfen gegenüber. Birgitt Rambalski