Roma-Abschiebung reißt Familie auseinander

■ Vater einer sechsköpfigen Familie in jugoslawische Haft abgeschoben / Kinder blieben alleine

Abschiebung eines Rom trotz befristeter Duldung, Trennung von der Familie, zu der fünf Kinder gehören, Trennung von der Frau, die im 8. Monat schwanger ist, fünf minderjährige Kinder, die ohne Aufsicht und Eltern in der Wohnung zurückbleiben: Bremerhaven schlägt mit der Brutalität seiner Abschiebepraxis wieder alle Rekorde.

Bis zum 12. Oktober fühlte sich Agim O. in Bremerhaven sicher. So lange lief seine befristete Duldung, die er von der Ausländerpolizei bekommen hatte. Am 6. Oktober schlugen die Behörden dann aber doch zu: Vier Beamte erschienen am Morgen in der Wohnung der Familie und gaben O. „zehn Minuten Zeit, zu packen“. Noch am gleichen Tag wurde er über Hamburg und Zagreb in die jugoslawische Provinz Kosovo abgeschoben.

Pech für seine Familie, denn einen Tag vorher mußte seine Frau, im achten Monat schwanger, wegen „vorzeitiger Wehentätigkeit ... sowie fetaler Tachykardie“ (das Herz des Kindes schlägt zu schnell) ins Bremerhavener Krankenhaus Reinckenheide eingeliefert werden. Vater abgeschoben, Mutter mit Risikoschwangerschaft im Krankenhaus: Die fünf Kinder zwischen vier und sechszehn Jahren blieben allein zu Hause. Als Rabije O. von der Abschiebung Agims erfuhr, ließ sie sich „auf eigenen Wunsch und eigene Verantwortung“ aus Reinckenheide entlassen.

Der Magistrat argumentiert in diesem Fall rein formal. Erstens sind „alle drei Asylanträge Agim O.s formal abgelehnt worden“, erklärte der Magistratssprecher Volker Heigenmooser, der einzige, der sich überhaupt äußern durfte. „In solchen Fällen kann es schon mal sein, daß die Duldung nicht bis zum letzten Tag ausgeschöpft wird.“ Zweitens sei überhaupt nicht klar, ob Agim O. das Sorgerecht für die Kinder habe, denn die Ehe sei lange geschieden (nachprüfen ließ sich das allerdings nicht). Drittens: „Da ist doch ein fast erwachsener Sohn, der sich um die Kinder kümmern kann. Warum soll das da nicht laufen wie in jeder anderen Familie auch?“ (Heigenmooser) Und viertens: Die Frau sei nur an dem einen Tag im Krankenhaus gewesen, sonst sei „die immer unterwegs“.

Zwei Wochen nach der Abschiebung wird den Behörden offenbar langsam klar, was sie angerichtet haben. „Eine ganz blöde Geschichte“ findet Heigenmooser den Fall Familie O, denn mittlerweile hat sich herausgestellt, daß O. gleich nach seiner Ankunft in Kosovo von den jugoslawischen Behörden gefangen genommen und zur Zwangsarbeit eingesetzt worden ist. Agim O. hatte sich als Jugoslawe mit albanischer Nationalität für eine unabhängige „Freie Republik Kosovo“ eingesetzt.

Der Streit um das Asyl Agim O.s zieht offenbar noch weitere Kreise. Möglicherweise hat die bei Rabije O. diagnostizierte „fetale Tachykardie“ des Ungeborenen darin seine Ursache. Nach Auskunft eines Gynäkologen können sich diese Symptome durchaus „aus dem Lebensumfeld der Mutter“ ergeben. Normalerweise wird nach einer solchen Diagnose solange stationär beobachtet und behandelt, bis sich die Herztöne des Kindes normalisiert haben.

Der Fall O. wird die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung beschäftigen. Der Grüne Abgeordnete Michael Frost hat dazu eine Anfrage an den Magistrat eingereicht. Darin müssen die Bremerhavener bekennen, ob „der unwürdigenden Behandlung in Bremerhaven lebender Flüchtlinge albanischer Nationalität ein Ende gesetzt wird“? Markus Daschner