Bundesanwaltschaft ohne Einsicht

Nach der erfolgreichen Revision im Strobl-Verfahren tut die Anklage so, als sei kaum etwas geschehen/ Neuverhandlung vor dem OLG/ Schon nach eineinhalb Stunden Beweisaufnahme  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) — Unspektakulär, ohne den Medienrummel vergangener Tage, begann am Montag vor dem 6. Senat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts die Neuauflage des Prozesses gegen Ingrid Strobl. Nachdem der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren den wichtigsten Anklagepunkt, „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ nach §129a, kassiert hatte, geht es in der neuerlichen Hauptverhandlung jetzt nur noch — ohne jede neue Beweiserhebung — um das Strafmaß wegen „Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“. Einer solchen Beihilfshandlung, das hatte der Revisionsbeschluß rechtskräftig festgeschrieben, hat sich Ingrid Strobl, die im ersten Verfahren zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war, schuldig gemacht. Die Bundesanwaltschaft, die gestern schon eineinhalb Stunden nach Prozeßauftakt mit ihrem Plädoyer begann, nutzte diese BGH-Vorgabe, um die alten Vorwürfe in neuer Verpackung vorzubringen. Frau Strobl sei an einem „Terroranschlag“ beteiligt gewesen. Daß sie eine „terroristische Straftat fördern wollte“, habe der BGH rechtskräftig festgestellt.

Ingrid Strobl, so Oberstaatsanwalt Lampe, habe Beihilfe für den auf das Kölner Lufthansa-Gebäude von „Revolutionären Zellen“ verübten „terroristischen Anschlag“ geleistet. Eine Formulierung, die für die Strobl-Verteidigerin Edith Lunnebach die „Uneinsichtigkeit“ der Bundesanwaltschaft dokumentiert. Zwar habe der BGH Frau Strobl als Käuferin des Weckers, der bei dem Lunfthansa-Anschlag verwendet wurde, identifiziert. Aber ob sie den Anschlag gewollt habe, stehe nach der BGH-Entscheidung „nicht fest“. Von der Beihilfe zu einem „terroristischen Anschlag“ könne deshalb nicht mehr die Rede sein.

Selbst die Auffassung des BGH, daß Ingrid Strobl beim Kauf des Weckers „bösgläubig“ gehandelt habe — zwar nicht im Sinne der „Revolutionären Zellen“, sondern zur Unterstützung nicht näher spezifizierter „politisch motivierter Gewalttäter“ —, beruhe nicht auf Tatsachen, sondern auf „Spekulationen“. Die Verteidigerin, die im ersten Prozeß auf Freispruch plädiert hatte — was nach der BGH-Entscheidung nicht wiederholbar war — forderte eine möglichst geringe Strafe.

Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft auf vier Jahre Haft plädiert. Nach Auffassung der Verteidigung hat der BGH-Beschluß lediglich dafür gesorgt, daß der Anteil der Spekulation nicht ins Uferlose ausgeweitet wurde. Verantwortlich für die Spekulation sei aber die Fassung des §129a selbst. Wenn es eine „Lehre“ aus dem Strobl-Verfahren geben könne, so Verteidiger Wächtler, dann die, daß man die Bemühungen zur Abschaffung des §129a verdoppeln müsse.