„Ein generelles Verbot ist keine Lösung“

■ Wolf-Michael Catenhusen (SPD), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie, über das Embryonenschutzgesetz INTERVIEW

taz: Herr Catenhusen, kann ein reines Strafgesetz der gesellschaftlichen Problematik der Fortpflanzungstechnik gerecht werden?

Catenhusen: Ein rein strafrechtlich orientiertes Gesetz wird den gesellschaftspolitischen Problemen überhaupt nicht gerecht. Wir wollten ein umfassenderes Gesetz, das insbesondere die familienrechtlichen Fragen regeln sollte. Einige Punkte aber, so das weitgehende Verbot der Embryonenforschung und das Verbot der genetischen Manipulation des menschlichen Erbgutes, können auch von der SPD mitgetragen werden.

Die SPD lehnt ab, ist aber froh über eine Regelung?

Ich befinde mich da in einem Zwiespalt. Die BRD wäre jetzt weltweit das erste Land, in dem ein Verbot des Gentransfers in menschliche Keimbahnen und ein Verbot der Embryonenforschung Gesetz wird. Ich bin mir nicht sicher, ob der öffentliche Druck, der diese Verbote in den jetzigen Gesetzesentwurf hineingebracht hat, in den nächsten Jahren anhalten wird, um in einem neuen Anlauf zu ebenso drastischen Einschränkungen zu kommen.

Also jetzt mitnehmen, was man kriegen kann?

Bei diesen Einzelfragen halte ich es für wichtig, daß ein Gesetz nicht total scheitert. Andererseits befürchte ich natürlich, daß durch ein solches Gesetz eine umfassendere Regelung auf die lange Bank geschoben wird.

Die Grünen fordern ein totales Verbot der Gentechnik. Nicht erst im Mißbrauch, sondern bereits in der Logik der Technologie seien eugenische Maßstäbe enthalten, was erhaltenswertes Leben ist.

Durch ein generelles Verbot ist das Problem nicht zu regeln. Ein Gesetz kann nur helfen, erkennbare Mißbrauchsmöglichkeiten zu vermeiden. Aber die gesellschaftliche Einstellung zur Nutzung dieser Fortpflanzungstechniken wird nicht durch Gesetze entschieden. Vielmehr muß die Diskussion über diese Techniken weitergehen. Ich halte andererseits trotz dieses Diskussionsbedarfs jetzt eine Regelung der klar auf der Hand liegenden Mißbrauchsmöglichkeiten für notwendig.

Die Bundesregierung will die Geschlechtswahl verbieten, doch werden gleichzeitig Ausnahmen formuliert und damit eugenische Maßstäbe sanktioniert, mit denen auf Frauen ein Druck ausgeübt wird, nur noch „gesunde“ Kinder zur Welt zu bringen...

Wir lehnen diese Ausnahmen ab. Natürlich ist die technisch unterstützte Fortpflanzungsmedizin eine unerhörte Versuchung, die „Qualität des Produkts“ zu beeinflussen. Bei der gezielten Geschlechtswahl bin ich persönlich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite ist jede Geschlechtswahl eine Art von Eugenik, auf der anderen Seite gibt es geschlechtsgebundene Erbkrankheiten. Und es gibt die Möglichkeiten zur Geschlechtswahl auch bereits jetzt, ohne Gentechnik. Wenn man die Entwicklung zur Eugenik verhindern will, muß man die Geschlechtswahl generell unterbinden. Ich habe deshalb die Sorge, daß mit dieser zwar aus der Sicht der Betroffenen verständlichen Ausnahmeregelung dennoch ein erstes Selektionskriterium gesetzlich verankert wird.

Also generelles Verbot der Geschlechtswahl und mit den Bauchschmerzen leben?

Ja. Sie müssen immer in Kauf nehmen, daß es einige wenige Betroffene gibt, die eine andere Meinung haben, die nicht unbedingt verwerflich oder unethisch ist. Interview: Gerd Nowakowski