Asyl im Bremer Bunker

■ Sechs Männer aus Ghana, Marokko, Algerien einquartiert / Uhl: „Unterbringungskatastrophe“

Gestern früh drückte die Wohnungshilfe des Sozialamtes den ersten Asylbewerbern Adresse und Straßenbahnfahrschein in die Hand: Friedrich-Karl-Straße lautet ihre neue „Adresse“. Was sich dahinter verbirgt, hatte sich zu den sechs Männern aus Ghana, Algerien und Marokko längst herumgesprochen. Sie sollten die ersten sein, die in Bremer Bunker einziehen. Je nach Nationalität in unterschiedliche Etagen.

Seit Donnerstag vergangener Woche hatten Sozialbehörde und Arbeiterwohlfahrt diesen Schritt fieberhaft vorbereitet: Matratzen, Bettwäsche, Kochplatte organisiert. Noch während in den beiden Bunkern Scharnhorst- und Friedrich-Karl-Straße je zwei Duschen installiert wurden, schlossen AWO und Sozialbehörde die Verträge ab.

Maximal 60 Asylbewerber sollen in jeden der beiden dreistöckigen Zivilschutzbunker verfrachtet werden. Presse, Hausmeister und Sozialarbeiterin warteten jedoch zunächst vergebens. Auch die je 30 Mittagessen (Hühnerfrikassée, Möhren, Salzkartoffeln und Bananen aus der AWO-Großküche) waren umsonst geliefert worden: Die Aktion verzögerte sich. Statt 60 kamen nur sechs. Die Handwerker fühlten sich verschaukelt: „Warum dann die Eile?“ Doch Dietmar Röhr, im vergangenen Jahr aus Brandenburg übersiedelt und fürs erste Hausmeister und Sozialbetreuer in der Friedrich-Karl-Straße, versicherte: „Am Donnerstag sollen sie nun endgültig kommen.“

Röhr und seine KollegInnen, die die AWO zur Rund-um-die- Uhr-Betreuung eigens eingestellt hat, werden vielleicht mehr Zeit in den Bunkern verbringen als die Asylbewerber: Die meldeten sich an, deponierten ihre persönliche Habe in ihrem Stahlrohr-Etagenbett und entflohen schnell wieder dem monotonen Dröhnen der Heiz- und Lüftungsanlage. Die Zeiten für Breakfast, Diner und Lunch sind auf roten Plakaten im Treppenhaus angeschlagen. Auch, daß das Haus von 23 bis 6 Uhr morgens geschlossen ist. „Wer dann noch rein will, muß klingeln. Aber die Leute müssen natürlich auch nachts raus können“, sagt ihr Hausmeister und gibt sich vor der ersten Nacht optimistisch: Über die Lautsprecheranlage des Bunkers will er ihnen „passende“ Musik in die „Zimmer“ übertragen („am besten wohl englisch?“). Und ein Dach überm Kopf sei besser als Übernachten im Park, meint er. Ihm bereiten die schweren Sicherheits-Panzertüren, die phosphorizierenden Orientierungsstreifen, die dreistöckigen Pritschen und Bunkerbänke in den fensterlosen, dumpf hallenden Räumen keine Beklemmungen.

Größte Vorbehalte und persönliches Unbehagen äußerten dagegen alle anderen Beteiligten dieser Bremer Lösung: Sozialsenatorin Uhl und ihre Abteilungsleiter bei der erklärenden Pressekonferenz (Uhl: „Wir stehen vor einer Unterbringungskatastrophe“), Dagmar Lill von der Zuwandererstelle („beklemmende Notlösung“), die Vorsitzende des Dachverbandes ausländischer Kulturvereine (Maribel Bajona: „Wir sind gegen jede Sammelunterbringung“) und auch die NachbarInnen der bezogenen Bunker („Die armen Menschen“).

Sabine Uhl nannte als Grund für die auf vier Wochen begrenzte Unterbringung in Katastrophenschutzbunkern die drastisch gestiegenen Zahlen von AsylbewerberInnen in Bremen: Bis September waren es allein 3.159 gegenüber 2.870 in 1989 (1987: 1.184). Bis im Dezember die ersten Kampa-Häuser bezogen werden können und andere Maßnahmen greifen (Anmieten von Schiffen, Kaufen von Häusern, Bauen von Turnhallen), müßten deshalb die BewohnerInnen der Übergangswohnheime mit Hilfe der Bunker umgeschichtet werden.

Nach Bonn richtete die Senatorin die Forderung, endlich die Wilhelm-Kaisen-Kaserne zur Verfügung zu stellen und der zunehmenden Armutswanderung mit gezielter Entwicklungshilfe entgegenzutreten: Die Flüchtlinge kommen zu 20 Prozent aus Polen. ra