UNTERM STRICH

Der Maler Willi Sitte, ein Hauptvertreter des „sozialistischen Realismus“ und einflußreicher langjähriger Präsident des Verbandes der Bildenden Künstler in der früheren DDR sowie Volkskammerabgeordneter und Mitglied des SED-Zentralkomitees, wird nach seinen Angaben von früheren Kollegen gemieden und mit anonymen Anzeigen überzogen. In einem Gespräch mit der „Neuen Berliner Illustrierten“ (NBI) nennt er dieses Verhalten „Feigheit in dieser Zeit“ und fügt hinzu: „Ich finde es mies. Man hat auch versucht, mich kaputtzumachen.“ Nach seiner eigenen Verstrickung im früheren SED-Staat befragt, meinte Sitte, er sei nicht bereit, sich „an dem Schlachtefest, das jetzt stattfindet, zu beteiligen. ... Ich werde mich nicht zerfleischen.“ Er habe die Macht, die er besessen habe, nie mißbraucht, sondern gebraucht und zum Nutzen vieler Kollegen eingesetzt. Er habe auch nie einen Staatsauftrag erhalten oder sich genommen. „Und mir hat nie ein Staatsmann vorgeschrieben, was ich zu tun oder zu lassen habe. Was ich gemacht habe, verantworte ich auch.“ Er denke auch nicht daran, die ihm verliehenen Orden und Preise zurückzugeben. Der Verband sei außerdem gegen Ausstellungsverbote „und ähnliche Drangsalierungen scharf zu Felde gezogen“. Auf dem letzten Verbandskongreß, ein Jahr vor der Wende in der DDR, war der seit 1974 amtierende Sitte als Präsident abgelöst und zum „Ehrenpräsidenten“ gewählt worden. Die Zeitschrift bemerkte dazu, dies habe schon vorher festgestanden. „Die Parteiführung hatte Ihnen die Bändigung der Aufmüpfigen nicht mehr zugetraut und damit gedroht, dem Verband die Finanzen zu entziehen.“ Laut Sitte drohte der Verband schon vorher auseinanderzufallen. „Da prallten wahnsinnige Gegensätze von Kunstauffassungen, nebulösen Demokratie- und Freiheitsbegriffen aufeinander.“ Sitte betonte, „DDR-Kunst“ gebe es nicht mehr, die „Geschichte der DDR-Kunst“ werde bleiben. „Auch wenn Leute wie Baselitz, Penk, Immendorf und wie sie alle heißen jetzt behaupten, daß sie das Schlechteste vom Schlechten war. Für mich sind das Dilettanten mit ihrem Schrabbelzeug.“

Die Walter-Benjamin-Ausstellung zum 50. Todestag des Autors, die bereits in Marbach gezeigt wurde (die taz berichtete), ist seit Sonntag noch bis zum 9. Dezember im Literaturhaus Berlin. Eine eigene Ausstellung organisiert dann ab Ende Dezember das Werkbund-Archiv im Berliner Martin-Gropius-Bau unter dem Titel „Bucklicht Männlein und Engel der Geschichte — Walter Benjamin, Theoretiker der Moderne“. Im Januar folgt eine internationale Podiumsdiskussion über Benjamins Auseinandersetzung mit dem Judentum und später über „Walter Benjamin im Exil“.

„So ein Tag, so wunderschön wie heute“ — Lotar Olias, der Komponist dieser Zeilen, ist am Sonntag in Hamburg im Alter von 76 Jahren gestorben. Aus seiner Feder stammen mehr als 40 Filmmusiken, acht Musicals und fast 2.000 Schlager und Chansons, u.a. „Junge, komm bald wieder“ oder „Du, du, du, laß mein kleines Herz in Ruh'“, den Marlene Dietrich in den USA auf Platte sang.

Auf Einladung des Goethe-Instituts fährt Wolf Biermann, der in den übrigen westeuropäischen Ländern schon häufig zu Gast war, zum ersten Mal nach London. Unter dem Titel „Der preußische Ikarus“ finden am 28. und 29. Oktober zwei Konzerte im Londoner Institute of Contemporary Art statt. Die Konzerte seien schon ausgebucht, so das Goethe-Institut. Wolf Biermann wird von seinem Übersetzer Richard Thomas begleitet. Biermann und das Goethe-Institut erhoffen sich von erfolgreichen London-Auftritten erneute Einladungen und Interesse bei Verlagen an der Veröffentlichung einer englischen Textauswahl.

Wer nach der Vorstellung der alten Ägypter im Jenseits weiterleben wollte, mußte den Göttern des Todesreiches einen intakten Körper vorweisen können: Ba, die Seele, hätte sonst keine Hülle gefunden, um ein Weiterleben des Toten zu ermöglichen. Pharaonen. Das Römer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim zeigt seit Sonntag rund 130 archäologische Schätze aus vier Jahrtausenden: Ägypten — Suche nach Unsterblichkeit.

Die Ausstellung dokumentiert fünf Phasen nach dem Tod. Totenbett, Amulettanhänger und Totengott Anubis (Statuette um 300 v. Chr.) prägen den Bereich der Mumifizierung. Der Begräbniszug auf Kalksteinreliefs und Stuckmalereien (um 1480 v. Chr.) führt zum Toten in seinem Grab, dem „Wohnhaus für die Ewigkeit“. Die Malereien im hölzernen Sarg des Nacht (um 2050 v. Chr.) zeigen, daß die Toten nichts missen sollten, kleine Figuren (um 1000 v. Chr.) waren als Diener im Jenseits gedacht. Die Hildesheimer Ausstellung in sechs Räumen wird noch bis zum 16. Juni 1991 gezeigt. Der Katalog mit 68 farbigen Abbildungen ist erschienen im Mainzer Verlag Phillip von Zabern (116 Seiten, 20 Mark).

Nochmal Ägypten: Ägyptenreisende können jetzt wieder alle drei der berühmten Pyramiden von Gizeh von innen besichtigten. Zum Abschluß umfangreicher Renovierungsarbeiten gab der ägyptische Kulturminister Faruk Husni am Montag die Mykerinos-Pyramide für die Öffentlichkeit frei. Gleichzeitig eröffnete er 15 Grabkammern von Pharao-Beamten, die kurz nach ihrer Entdeckung im vergangenen Jahrhundert für die Öffentlichkeit gesperrt worden waren.

In den vergangenen Jahren hat die Pyramidenverwaltung das Innere der drei Gizeh-Monumente von Salzkrusten und Schmierereien der Touristen reinigen, dazu neue Licht- und Videoüberwachungsanlagen installieren lassen. In der jetzt wieder zugänglichen einst 66,5 Meter hohen Mykerinos-Pyramide, dem kleinsten der monumentalen Sakralbauten von Gizeh aus der Zeit zwischen 2490 bis 2471 v. Chr., war ein Enkel von Cheops bestattet. In das Bauwerk führt ein schmaler Gang zu mehreren Grabkammern hinab, die heute leer sind.

Die nach mehr als einem Jahrhundert jetzt eröffneten und restaurierten Gräber aus der vierten bis sechsten Dynastie (2600 bis 2155 v. Chr.) liegen auf Friedhöfen um die Pyramiden herum. Dort wurden unter anderem Kinder der Pharaonen und hohe Beamte bestattet. Die Grabkammern sind reichlich mit Reliefs ausgestattet.