Belastete Mission

■ Willy Brandts Vorhaben, nach Bagdad zu reisen KOMMENTARE

Der Ehrenvorsitzende der SPD wird wohl nach Bagdad reisen, genauer er: wird reisen müssen. Wenn bei diesem Stand der Vorbereitungen die Mission wieder abgesagt würde, hieße es, das humanitäre Motiv zu brüskieren, um dessentwillen überhaupt die Gespräche um eine Freilassung von Geiseln aufgenommen worden sind. Die Situation der Geiseln wäre ungleich verzweifelter. Gleichwohl sind die Gründe des Für und Wider bei dieser Reise auch jetzt noch von gleich großem Gewicht. Wer darauf hofft, einen Krieg am Golf verhindern zu können, muß daran interessiert sein, daß der Erpressungsdruck der vereinten Nationen unbeschädigt erhalten bleibt. Ein einseitiger Verhandlungsspielraum für Saddam Hussein gefährdet nicht nur die internationale Solidarität, er vermindert auch nicht die Kriegsgefahr. Mit dem Besuch von Edward Heath bekommt eine mögliche Brandt-Reise den Beigeschmack, als ob jetzt die elder statesmen anreisen und faktisch den Geiselnehmer zum Verhandlungspartner machen. Die Geiseln sind sowohl eingesetzte Waffen in einem unerklärten Krieg, insofern sie zum Schutz kriegswichtiger Industrieanlagen eingesetzt werden; sie sind aber auch politische Instrumente zur Normalisierung der Eroberung von Kuwait. Und humanitäre Lösungen sind unvermeidlich ein Stück Normalisierung, eine Mäßigung der internationalen Isolierung Saddam Husseins, die ihn genausogut seinem Kriegsziel näher bringen kann.

Falls Brandt sich nach Bagdad bewegen sollte, steht mehr als sein Prestige auf dem Spiel. Seine Mission ist ein ganz besonderer Balanceakt, nicht vergleichbar mit den Einsätzen Ben Wischs. Sie ist auf jeden Fall eine politische Mission. Die Abstimmung mit der Bundesregierung, von der SPD zuRecht initiiert, macht die Reise auch zu einer politischen Demarche der Bundesrepublik. Um so beunruhigender, daß gegenwärtig die deutschen Parteien und hier insbesondere die CDU nicht die Reife haben, ein solches Unternehmen vor dem Wahlkampf zu schützen. Die Vorabdenunziationen aus den Reihen der CDU zeigen, daß unsere Politiker noch gar nicht begriffen haben, welche außenpolitische Verantwortung der Bundesrepublik in diesem Jahr zugewachsen ist. Aber selbst wenn Brandt die Rückendeckung der Bundesregierung hat, ist das politische Risiko noch groß genug. Sein Erfolg wird nicht mit der Anzahl der Geiseln gezählt. Er muß zumindest mit der Idee einer Verhandlungslösung zurückkehren. Klaus Hartung