Kumpel in der UdSSR gründen Verband

■ Vertreter der Bergarbeiter-Streikkomitees aus Sibirien und der Ukraine treffen sich in Donezk/ Auch der offizielle sowjetische Gewerkschaftsbund will reformieren: Vertretungsmonopol wird aufgegeben

Moskau (adn/taz) — In Moskau und Donezk haben zwei Kongresse begonnen, die die Zukunft der sowjetischen Gewerkschaftsbewegung entscheidend beeinflussen werden. Gorbatschow persönlich gab der Eröffnungsveranstaltung des 19. Kongresses des sowjetischen Gewerkschaftsverbandes die Ehre. Diese größte der Massenorganisationen — sie umfaßt nominell 140 Millionen Mitglieder — war einst als Transmissionsriemen der Partei zur Arbeiterklasse definiert worden und funktionierte entsprechend. Jetzt ist die Avantgarde hin und die Gewerkschaftsapparate versuchen verzweifelt, zu dem zu werden, was sie immer schon sein sollten — Vertretungen der Arbeiterklasse. Bis jetzt, so der Vizevorsitzende Schtscherbakow, sei die Perestroika für die Gewerkschaften eine Zeit der verpaßten Chancen gewesen. Das zukünftige Gewerkschaftszentrum solle nur noch als Exekutive eines „freiwilligen Bundes souveräner Mitgliederorganisationen“ tätig werden. Schtscherbakow ermahnte die Gewerkschaften der Republiken, sich nicht das Vermögen der Zentrale unter den Nagel zu reißen, und betonte im übrigen, die künftige Zentrale werde kein Monopol auf gewerkschaftliche Vertretung erheben.

Wie manches andere kam auch dieses Zugeständnis für die Kumpel zu spät, die sich in Donezk am Dienstag zum zweiten Mal trafen, um einen unabhängigen Verband der Bergarbeiter zu gründen. Die Delegierten stammten sämtlich aus den Komitees, die in den beiden letzten Jahren die Streiks im ukrainischen Donbass und im sibirischen Kuzbass organisiert hatten — ohne und gegen den Willen der Gewerkschaften. Ihre ursprünglich auf Strukturhilfen für die Bergbaugebiete und auf Lohn und Arbeitsbedingungen konzentrierten Forderungen hatten sich zunehmend politisiert — bis zur Aufforderung an die KP, aus den Betrieben zu verschwinden. Der nationalen Agitation z.B. seitens der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung gegenüber haben sich die Kumpel bisher lauwarm verhalten. Sie sind auch noch allesamt Mitglieder der „offiziellen“ Gewerkschaften. Sind diese doch zwar keine Kampf- wohl aber betriebliche Verteilungsorgane für sonst unerreichbare Lebensmittel und Urlaubsplätze. C.S.