Museumsratten im Computernetz

■ Mit neuem Rechner in Europas Museen

Was eine richtige Museumsratte ist, die gibt sich nicht mit heimischer Kost allein zufrieden. Die will multimedial alles anknabbern, was die Museumswelt an Exponaten so zu bieten hat.

Das Bremer Übersee-Museum wird ab 1992 auch die hartnäckigsten Nager zufriedenstellen können. Mit dem neuen Computersystem EMN (Europäisches Museums-Netzwerk) können dann von Bremen aus acht weitere europäische Museen angezapft werden, per Telekommunikation über Bilder, Tafeln, Video und Tonbänder. Gestern wurde das System erstmals vorgestellt.

Die Museumsratte stößt im Bremer Übersee-Museum auf die Kachina-Maske. Die Ausstellungstafel klärt sie zunächst darüber auf, daß es sich um eine religiöse Maske der Pueblo-Indiander im Gebiet der heutigen USA handelt. Jetzt geht's los: Die Museumsratte hastet zum PC, der dann auf jeder Etage des Museums installiert sein soll, und gibt das Schlüsselwort „Maske“ ein.

Auf dem Bildschirm erscheinen jetzt Masken aus allen Museen Europas, die im EMN zusammengeschlossen sind. Dazu gehören Ausstellungshäuser in Madrid, Lissabon, Paris, Den Haag, Hamburg und Bremerhaven. Weil die Museumsratte schlau ist, wählt sie jetzt mit der Computer-Mouse das richtige Feld und erschließt sich so Schritt für Schritt den europäischen Museumskäse. Denn zu jedem Bild, das der Computer ausspuckt, werden weitere Info-Tafeln mit weiteren Verweisen und Querverbindungen ausgespuckt, bei Bedarf auch gedruckt.

„Dahinter steckt vor allem die Idee, jedem Besucher eigene Möglichkeiten für seinen individuekllen Museumsbesuch zu eröffnen“, erklärte Götz Mackensen vom Bremer Übersee-Museum. Obwohl das EMN noch in der Erprobungsphase steckt, ist er von der Idee begeistert. Zu den 20 Millionen Mark, die das Projekt in Entwicklung und Realisation kosten wird, zahlt der Bremer Wirtschaftssenator 300.000 Mark dazu., zehn Millionen kommen aus dem EG-Topf.

Mackensens Kollegin Kuster- Wendenburg ist skeptischer. Sie bezweifelt, daß sich die komplizierte Computertechnik während der Dauer eines Museumsbesuches für den Compuerlaien befriedigend erschließen läßt. Der muß nämlich ziemlich schnell lernen, wie er an die gewünschen Informationen kommmt: Nach 15 Minuten schaltet sich das Gerät automatisch ab, um möglichst vielen Museumsratten die Möglichkeit zu geben, per Bildschirm durch halb Europa zu sausen.

„Natürlich“, wandte der Software-Entwickler vom Fraunhofer Institut, Andreas Agha-Ebrahim, gestern ein, „steckt alles noch in den Kinderschuhen“. Er wollte natürlich nicht, daß sein inzwischen dreijähriges Computerkind zerredet wird, bevor es überhaupt das Licht der Welt erblickt hat. „Die Technik werden wir möglichst einfach gestalten.“

Dazu entwickelte er ganz konkrete Vorstellungen, welche Feinheiten das System künftig bewältigen wird. So prophezeite er, daß man mit einem begonnenen Museumsstreifzug in Bremen vermittels einer Codekarte ganz problemlos in Lissabon fortsetzen könnte. „Ihre Bremer Etappe wird gespeichert und kann bei dem entsprechenden Kennwort an den angeschlossenen Museen abgefragt werden“, strahlte der Computerfachmann glücklich. mad