Ein hemdsärmliger James Bond

■ Bruce Willis als „James Bond der 90er Jahre“ in Renny Harlins „Stirb langsam 2“

Nimmt man den Titel des Films, eventuell sogar den Originaltitel Die Harder als Versprechen, so wird man enttäuscht: Nicht langsam, sondern flott, zügig und ohne lange Vorreden wird hier klaglos weggestorben, wie sich das für einen Action-Thriller gehört. Bezieht man dagegen den Titel auf Stirb langsam 1, nimmt ihn also als Qualitätsmaßstab, so enttäuscht das aktionsreiche Spektakulum mitnichten. Stirb langsam 1 war der beste Actionfilm mindestens des Jahres 1988, und sein Nachfolger geriet — obwohl der Regieklappstuhl von einem anderen besetzt wurde — annähernd gleichwertig.

Wie im ersten Teil weihnachtet es, als das Abenteuer beginnt. John McClane (Bruce Willis) erwartet auf dem Washingtoner Flughafen die Ankunft seiner Frau Holly (Bonnie Bedelia). Der da so treu der Mutter seiner Kinder harrt, ist Polizist und hält auch nach Dienstschluß die Augen offen. So bleiben ihm die merkwürdigen Aktivitäten einiger zwielichtiger Gestalten nicht verborgen. Er folgt den dubiosen Dunkelmännern und ertappt sie prompt bei Bastelarbeiten an den elektrischen Anlagen. Die beiden Verdächtigen ziehen einen Schuß- einem etwaigen Wortwechsel vor, aber McClane ist vorbereitet: Obwohl außer Dienst, hat er praktischerweise seine Waffe dabei und zum Glück auch ein paar Reservemagazine eingesteckt, so daß er das Duell quick für sich entscheiden kann. Bei der Flughafenleitung stößt sein eigenmächtiges Handeln nicht gerade auf Gegenliebe; aber die Geschichte hält einen kleinen Triumph für McClane bereit: Wie ihm bereits schwante, war die Schießerei nur das Vorspiel zu einer großangelegten Terroraktion. Ein mit allen Finessen ausgerüstetes Elitekommando hat sämtliche Versorgungsleitungen gekappt und kontrolliert die komplette Technik des Flughafens. Ziel der Mordbuben ist die Befreiung des südamrikanischen Drogendiktators Esperanza (Franco Nero), der in Washington abgeurteilt werden soll. Die Maschine, die ihn und seine Bewacher in die US- Hauptstadt bringt, wird in Kürze landen. Die Verantwortlichen des Airports, die vor allem eine Panik unter den Wartenden vermeiden wollen, lehnen McClanes Hilfe ab, und so beginnt er wieder einmal einen Ein- Mann-Feldzug — weil die zuständigen Sicherheitsleute sichtlich überfordert sind, und weil seine Ehefrau durch das von den Freischärlern erteilte Landeverbot für alle Maschinen ebenso in Gefahr ist wie alle anderen Flugpassagiere.

Wer Actionfilme nicht mag, wird auch an diesem keine Freude haben. Wer indes zwischen den geläufigen Lobgesängen auf neueste Waffentechnologie mit ihrer primitiven Hauruckdramaturgie und cleveren, durchaus nicht hirnlosen Plots unterscheidet, kommt auf seine Kosten. Es sind die zahlreichen Anspielungen auf politische Ereignisse der letzten Monate, die nicht unironischen grotesken Übertreibungen in der Zeichnung des Helden sowie die witzigen Verweise auf den zugleich Fortsetzungs- und Remake-Charakter des Films, die den Reiz ausmachen und den im Grunde abgedroschenen Plot pfiffig über die Runden retten. Unter anderem läßt sich an der Geschichte das starke Mißtrauen ablesen, mit dem die Amerikaner inzwischen ihren Drei-Buchstaben- Organisationen gegenüberstehen. Nicht mehr — wie im ersten Teil — europäische (in der Originalfassung deutsche) Schurken lösen die unheilvollen Ereignisse aus, sondern Landsleute des Helden: fanatische Antikommunisten sind es, Angehörige eines ehemals in Süd- und Mittelamerika tätigen Sonderkommandos, die kaltlächelnd das Leben unbeteiligter Flugpassagiere opfern, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Unversehens muß McClane darum gegen zwei Seiten kämpfen, denn die Politdesperados haben selbst unter der zu Hilfe gerufenen Spezialeinheit zur Terroristenbekämpfung gute Freunde. Die Figur des Drogengenerals spielt natürlich auf den Fall Noriega an, auch Oliver North läßt von fern grüßen. So gibt es eine Fülle von Bezügen und Verweisen, wobei berücksichtigt werden muß, daß die zugrundeliegenden Vorfälle dem Publikum im Herstellungsland naturgemäß viel näher und von ihm darum leichter zu entschlüsseln sind als hiesigen Zuschauern. Dieser unermüdliche, dickschädelige John McClane ist ein nicht kleinzukriegender Superheld mit sehr menschlichen Eigenschaften. Die comicartige Übertreibung der Actionsequenzen weist ihn aus als hemdsärmligen Vetter des bekannten Geheimdienstlers Ihrer Majestät James Bond: Immer wieder gerät McClane in aussichtslos scheinende Situationen und rettet sich doch stets mit abenteuerlichsten Gimmicks. In der burlesken Gestaltung dieser Szenen, in des lachfaltigen Bruce Willis' augenzwinkernd- selbstironischem Spiel, wie überhaupt im amüsierten Gelächter des Publikums, unterscheidet sich dieser gar nicht so dumme Thriller doch recht deutlich von den tumben und stumpfdumpfen, von Ressentiments durchsetzten Brachialepen der „Missing in Action“- oder „Delta Force“- Kategorie. Harald Keller

Renny Harlin: Stirb langsam 2 (Die Harder); USA 1990; Farbe; Panavision; Regie: Renny Harlin; Buch: Steven E. de Souza, Doug Richardson; Darsteller: Bruce Willis, Bonnie Bedelia, William Atherton, Franco Nero u.v.a.