„Sie müssen die Gegebenheiten akzeptieren“

■ Autoboom in der ehemaligen DDR ist nicht zu verhindern/ Jetzt können nur noch Zündungen eingestellt werden INTERVIEW

Die Autoindustrie freut sich: Der erste Traum, den viele Bürger der neuen deutschen Bundesländer sich erfüllen, ist der Kauf eines West-Autos — unter Anleitung des ADAC, der im März in der Ex- DDR gegründet wurde. Vorsitzender ist Dietmar Krausch, von Beruf Anästhesist.

taz: In der Bundesrepublik haben Autos für Waldsterben und erhöhte Ozonwerte in der Luft gesorgt. Sollten die Bürger der Ex-DDR nicht von diesen Erfahrungen lernen?

Krausch: Es ist einfach zu sagen: „Bei uns sind die Verhältnisse fest gefügt, da können wir nichts mehr ändern. Aber ihr steigt jetzt neu ein und braucht diese Fehler nicht mehr zu machen“. Die DDR-Bürger haben über 40 Jahre Probleme gehabt, ein Auto zu bekommen. Das heißt, den Wunsch nach einem Auto gab es immer. Jetzt können Sie es den Leuten nicht verübeln, daß sie sich diesen Wunsch auch erfüllen.

Müßte man diese Entwicklung nicht in eine umweltfreundlichere Richtung lenken?

Die Frage ist, wie Sie das machen wollen. Es war völlig klar, daß sich die Leute ein Auto kaufen werden, sobald es die Möglichkeit gibt. Nun müssen wir die Kraftfahrer zu Umweltbewußtsein erziehen. Der ADAC achtet darauf, daß die Autos Katalysatoren bekommen. Außerdem fuhren wir mit Prüfcontainern durch die DDR und stellten Zündungen ein, um die Abgaswerte so niedrig wie möglich zu halten. Man kann versuchen, die Umweltbelastung durch technische Auflagen gering zu halten.

Aber die Zahl der Autos steigt schneller an und kompensiert die Verminderung der Abgase.

Die Autofahrer sagen, wir belasten zwar die Umwelt, aber die runtergewirtschaftete DDR-Industrie verursacht größere Schäden.

Die DDR hat jetzt schon die stärkste Umweltbelastung in Mitteleuropa. Kann sich die DDR einen Autoboom überhaupt leisten?

Sie müssen die Gegebenheiten akzeptieren. Dazu gehört auch der Wunsch nach einem Auto.

Und der Wunsch ist unabhängig von den Schäden, die dadurch entstehen?

Die Erziehung zum Bewußtsein war eine der wichtigsten Regeln in den vergangenen 40 Jahren. Weil wir sozialistische Bürger waren, hatten wir das Bewußtsein, daß Reisen ans Mittelmeer nicht gut sind, der Müggelsee tut's auch. Dieses Bewußtsein werden wir nicht halten können. Man Man kann den Leuten Probleme aufzeigen und Lösungsmöglichkeiten anbieten. Aber man soll sie nicht zwingen. Das ist schief gegangen. Interview:Karin Mayer