Massenansturm auf die jugoslawischen Banken

■ Ungleiche Inflationsraten, aber feste Anbindung an die D-Mark

Belgrad (dpa/taz) — „Was sich heute vor den Bankschaltern abspielt, erinnert an die große Depression in Amerika in den 20er Jahren“, beschreibt die Belgrader Zeitung 'Borba‘ die Situation. „Banken vor dem Kollaps“ und „Schmiede des lügenhaften Geldes“, lauten andere Schlagzeilen. Das angesehene Zagreber Blatt 'Vjesnik‘ diagnostiziert „eine allgemeine Psychose der Unsicherheit“. Gemeint ist immer das gleiche: Ein hoffnungslos überbewerteter jugoslawischer Dinar hat in einem regelrechten „Devisenfieber“ zum Sturm auf die Banken geführt.

Alle Ersparnisse werden in sichere Devisen umgetauscht und von der Bank abgehoben, um sie zu Hause aufzubewahren. Gleichzeitig haben sich nie erlebte Scharen von Jugoslawen auf den Weg in die Nachbarländer gemacht, um sich dort mit billigen Lebensmitteln und langlebigen Konsumgütern zu versorgen. Der Dinar ist seit Januar im Verhältnis sieben zu eins an die D-Mark gekoppelt. Doch obwohl die Inflation in diesem Jahr mit bisher 100 Prozent deutlich über der deutschen Preissteigerung lag, hat sich die jugoslawische Regierung nicht zu einer Kurskorrektur durchringen können. Jugoslawien ist damit zu einem Hochpreisland in Europa geworden.

„Die Preise liegen auf Weltniveau, unsere Gehälter erreichen afrikanischen Standard“, witzelt die Bevölkerung. Viele Grundnahrungsmittel sind inzwischen zwischen 30 und 100 Prozent teurer als in Westeuropa. Doch die Regierung hat den Dinarkurs zu ihrer Überlebensfrage gemacht: „Fällt der Dinar, fällt die Regierung“, sind die Medien sicher. Daher seien „die Kriegsspiele um den Dinar gut zu verstehen“. Vor allem die Exportindustrie, die ihre Waren im Westen nur mit Preisabschlägen überhaupt absetzen kann, dringt auf eine Dinarabwertung. Wiederum aus Angst davor, aber auch wegen der unsicheren politischen Zukunft Jugoslawiens plündern die Bürger ihre Dinarkonten, um sie in westliches Hartgeld umzuwandeln. „Wenn das so weitergeht, droht der Zusammenbruch des ganzen Finanzsystems“, warnen Bankfachleute.

In Jugoslawien zeigt sich nun im Extremen, was in der EG passieren würde, wenn die Währungen in einem Fixkurssystem stehen würden, die Inflationsraten aber deutlich voneinander abweichen. Das britische Pfund oder die italienische Lira würden in der Realität ständig entwertet, während sie auf dem Papier stark blieben. Auch in London oder Rom bliebe ein Massenandrang auf die sichere D-Mark nicht aus. Wenn aber keine Kapitalverkehrskontrollen mehr existierten und die Kurse tatsächlich nicht verändert werden, wäre es nur ein Frage von Monaten oder Wochen, bis in London oder Rom nur noch eine Währung akzeptiert würde — die D-Mark. diba