Wie die Transferrubel aus Zloty D-Mark machen

Billige Geschäfte um die Währungsunion/ Polnische Ministerien überprüfen Betriebe, die in Rubelbetrug verwickelt sind  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die deutsche Währungsunion, die am 1. Juli dieses Jahres in Kraft trat, war, wie jetzt erst deutlich wird, auch für einige Leute in Polen im wahrsten Sinn des Wortes ein gefundenes Fressen. Für eine Übergangszeit war vereinbart worden, daß ostdeutsche Betriebe den Handel mit RGW-Ländern weiterhin in Transferrubel verrechnen können. Der Rubel/DM-Kurs wurde dafür auf 1:2,34 festgelegt, was im Falle Polens zu haarsträubenden Konsequenzen führte: Um einen Transferrubel zu erwerben, muß ein ostdeutscher Exporteur Waren im Wert von 2,34 DM verkaufen, für den polnischen Handelspartner ist der Transferrubel aber nur lächerliche 2.100 Zloty wert, was gerade 35 Pfennigen entspricht. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten.

Noch im ersten Halbjahr hatte Polen mit der DDR einen Handelsbilanzüberschuß von 110 Millionen Transferrubel. Mit der Währungsunion änderte sich die Außenhandelsbilanz schlagartig: Polen erwirtschaftete ein Defizit, das sich von Monat zu Monat erhöhte und inzwischen 408 Millionen Transferrubel umfaßt (rund eine Milliarde DM). Das rief die Beamten des Warschauer Außenhandelsministeriums auf den Plan, die bald feststellten, daß eine riesige Importlawine aus der DDR das Land überschwemmte: Fernsehapparate, Autos, Waschmaschinen, Haushaltsgeräte — was noch vor kurzem nur unter großen Schwierigkeiten aus der DDR zu erhalten gewesen war, drängte jetzt geradezu ins Land. Der Grund: Viele DDR-Betriebe waren auf Hartwährungsmärkten wie der Bundesrepublik oder Westeuropa nicht mehr konkurrenzfähig und wichen gen Osten aus. Für die Polen dagegen waren diese Importe aufgrund des niedrigen Transferrubelkurses äußerst günstig. Und ganz schlaue Unternehmer exportierten diese Importe gleich wieder in den Westen — gegen harte Devisen aber nun natürlich billiger. Nicht immer ganz legal, wie die Danziger Wochenzeitung 'Tygodnik Gdanski‘ vermutet, die als erste auf die Importlawine aufmerksam wurde. Manche Rechnungen, so schrieb sie, seien offenbar auch nur pro forma ausgestellt wurden, Im- und Export fanden nur auf dem Papier statt, die entsprechenden Waren haben die polnische Grenze nie überschritten. Dies schließt man inzwischen auch im Außenhandelsministerium nicht mehr aus. Auch nicht, daß dabei gegen polnisches Recht in einem weiteren Bereich verstoßen wurde: Importe gegen Transferrubel sind genehmigungspflichtig, da aber die Warschauer Handelsbank lange Zeit keine Nachweise über die Genehmigungen bei der Durchführung der Transferrubelverrechnungen verlangte, importierten auch Firmen, die gar keine Genehmigungen hatten. Andere Firmen, so die 'Tygodnik Gdanski‘, haben ihre Genehmigungen einfach mehrfach vorgelegt. Ein lohnendes Geschäft: Die Gewinnspanne bei diesen Importgeschäften betrug 600 bis 700 Prozent, die sich nur aus der Kursdifferenz zwischen Transferrubel/DM einerseits und Transferrubel/Zloty andererseits erklärte. Polen wird letztlich draufzahlen müssen, meint der 'Tygodnik Gdanski‘, denn das aufgelaufene Defizit müsse ja am Jahresende ausgeglichen werden. Und da Polen kaum in der Lage sei, dies wie vereinbart mit Warenlieferungen zu tun, fordere die deutsche Seite eine Verrechnung gemäß dem bisherigen Transferrubelkurs — was Polen knapp eine Milliarde DM kosten würde. Letztlich müßte der Staat die horrenden Gewinne seiner Importeure ersetzen. Kein Wunder, daß nun Außenhandelsministerium und Zollbehörden darangehen, die einzelnen Geschäfte zu überprüfen. Das allerdings kann dauern: In jedem einzelnen Fall müßte nachgeforscht werden, ob die den Verträgen zugrundeliegenden Waren auch wirklich die Grenze überschritten haben und ob für jede Transaktion Konzessionen vorlagen. Bis jetzt läßt sich nicht feststellen, wie groß der Schaden tatsächlich ist. „Man kann nicht einfach das Defizit mit der Summe der Transferrubel-Konzessionen vergleichen“, erklärt eine Sachbearbeiterin des Außenhandelsministeriums, „da wir am 1. Juli beispielsweise auch die Verrechnung unserer Baufirmen in der DDR und die Transitabgaben durch Polen auf DM umgestellt haben, so daß ein kleiner Teil des Transferrubel-Defizits durch einen höheren Zugang im DM-Saldo wieder ausgeglichen wird. Nicht alle Transferrubel-Konzessionen wurden auch realisiert, viele DDR-Betriebe haben Geschäfte, für die bereits Konzessionen vorlagen, nachträglich storniert.“ Die Entwirrung dieses Knäuels, so heißt es, werde Monate in Anspruch nehmen. Bis jetzt konnte noch keiner einzigen Firma nachgewiesen werden, daß sie an dem Import aus der DDR auf illegale Weise verdient hat.