Serbien schottet sich durch Zollmauern ab

Belgrad (taz) — Seit gestern gelten in der größten jugoslawischen Republik, in Serbien, Einfuhrzölle für alle Waren, die in anderen Republiken des Vielvölkerstaates hergestellt worden sind. Die Zollabgaben entsprechen den Außenhandelszöllen, wie sie für Waren aus EG- und befreundeten osteuropäischen Staaten gelten.

Selbst für Personenzüge, die durch serbisches Republiksgebiet dampfen, gelten Schienennutzungsgebühren. Elektrizitätsfirmen, die in südjugoslawischen Kraftwerken für die Nordrepubliken Strom produzieren, müssen für die Starkstromleitungen die durch Serbien führen, Transferzölle entrichten.

Diese Blitzaktion der serbischen Regierung vom Dienstag löste scharfe Proteste überall im Lande aus. Ein Sprecher der Bundesregierung bezeichnete sie gestern als gesetzwidrigen Akt, den das Bundesverfassungsgericht zu prüfen habe. Kroatische und slowenische Zeitungen kommentieren einstimmig, durch die serbischen Maßnahmen sei der einheitliche Markt Jugoslawiens zerstört worden. Der Mariborer 'Vecer‘ frägt sogar, ob es noch einen Sinn ergäbe, vom Staat Jugoslawien zu sprechen, wenn nicht einmal mehr ein einheitlicher Wirtschaftsraum existiere.

Gerade Serbien, das den Nordrepubliken mit ihren konföderativen Vorschlägen zur Neuordnung des Vielvölkerstaates Seperatismus und „Untergrabung der jugoslawischen Staatsidee“ vorgeworfen hat, setze nun alles daran, die bisherige Verfassung außer Kraft zu setzen, schreibt der 'Vecer‘ weiter.

Vor allem für die mehrheitlich albanisch besiedelte Krisenprovinz Kosovo, die Serbien vollkommen unterstellt wurde, haben die neuen Maßnahmen verheerende Folgen. Es steht zu befürchten, daß bereits unterzeichnete Handelsverträge zwischen Kosovo und anderen Republiken in den nächsten Tagen storniert werden. Ein kroatischer Radiosender sprach gestern bereits von der Gefahr daß nun zu den unzähligen nationalen Konflikten noch ein „innerjugoslawischer Handelskrieg“ tritt. Roland Hofwiler