Südafrikas Präsident in den Niederlanden:
: Holland reicht de Klerk die Hand

■ Die Niederlande waren einst Vorreiter der Sanktionspolitik gegen Südafrika. Der Staatsempfang heute ist ein Signal: Die EG will ihre Boykottmaßnahmen allmählich lockern.

Zum ersten Male seit 1953 hat gestern der südafrikanischer Staatspräsident die Niederlande besuchen dürfen. Der Staatsakt dokumentiert, daß die Niederlande bereit sind, direkt und im EG-Verband den Reformprozeß in Südafrika zu unterstützen. Dies erklärte der niederländische Ministerpräsident Ruud Lubbers am Dienstag abend bei einem Essen. Lubbers zeigte sich zugleich besorgt über die Ausbrüche von Gewalt in Südafrika, die den Prozeß der Reformen in Gefahr bringen könnten.

In Den Haag mußten de Klerk, sein Außenminister Pik Botha und ihre Ehefrauen allerdings durch einen Hintereingang in das Palais Noordeinde gehen, das ihnen von der Königin als Quartier zur Verfügung gestellt worden war. Etwa hundert Demonstranten standen vor dem Haupteingang. „De Klerk — nie welkom nie“ und „fuck Apartheid“, hieß es in großen schwarzen Lettern auf weißen Grund. „Kollaborateure sind selbst Sklaventreiber“, war die eindeutige Message an Hollands Ministerpräsidenten.

Freundlich, aber dezidiert verkündete de Klerk in der Pressekonferenz seine Botschaft: Die niederländische Regierung habe ihn „mit großer Würde“ empfangen, die Unterredung sei „konkret und bissig“ gewesen. Der Weg, den die südafrikanische Regierung trotz vehementer Widerstände aus den eigenen Reihen der „blankes“ beschritten habe, sei „unumkehrbar“. Sein Land, so de Klerk, sei auf dem Weg zu einer wahrhaftigen Demokratie mit gleichen Rechten für alle, ungeachtet ihrer Rasse oder Hautfarbe. Die letzten Apartheidgesetze, wie der „groups area act“ und das Meldegesetz würden spätestens in zwei Jahren der Vergangenheit angehören. Auch die Sicherheitsgesetzgebung werde im Zuge einer grundlegenden Verfassungsänderung bis 1994, also innerhalb seines Mandats, „gesäubert“ werden.

Auf die Frage einer Journalistin aus Mosambique, ob er denn in einem künftigen demokratischen Südafrika unter einem Ministerpräsidenten Nelson Mandela mitarbeiten würde, sagte de Klerk, er werde „unter jedem gewählten Präsidenten dienen“. Außenminister Pik Botha hatte die Runde bis dahin regungslos, mit gewohnt harten Augen, fixiert. Dieser Vorstoß seines Chefs allerdings verfinsterte seine Miene.

Zur Verblüffung der in- und ausländischen Pressevertreter hielt de Klerk das Plädoyer für die Unumkehrbarkeit seiner Reformen auf Afrikaans, der Sprache der Buren, nur auf englisch gestellte Fragen beantwortete er auf englisch. Die Kollegen vom niederländischen Fernsehen neben ihm tuschelten, wie niedlich archaisch sich ihre eigene Sprache doch anhörte.

Abschied von der Politik der Sanktion

Auf die Frage, ob sein Besuch an die Niederlande wegen der Blutsverwandschaft oder Stammesverwandschaft für ihn besondere Bedeutung habe, erwiderte de Klerk mit einem Lächeln, Afrikaans sei auch die Muttersprache von Millionen von „Farbigen“ und Schwarzen. Und als Buren bezeichneten sich eben auch die Nachkommen der Tausenden Einwanderer aus Portugal, Deutschland, Griechenland und Frankreich. Die Niederlande seien nur eines jener „Stammländer“ der südafrikanischen Bevölkerung.

Damit rührte der oberste Bure an ein Thema, das gerade Niederländer am liebsten verdrängen möchten. Als genau vor 90 Jahren der Burenpräsident Paul Krüger in die Niederlande gereist kam, um die Königin um Hilfe gegen die Engländer im sogenannten „Burenkrieg“ zu bitten, schlug ihm noch eine Welle der Sympathie und Begeisterung entgegen. Doch heute ist es vielen ein Trauma, daß als einziges niederländisches Wort in der internationalen Gemeinschaft der Begriff „Apartheid“ Eingang gefunden hat.

Daß de Klerk überhaupt in den Niederlanden willkommen ist, muß als hunderprozentige Kehrtwendung in der Politik des Außenministers van den Broek bewertet werden. Der hatte noch vor wenigen Wochen gesagt, eine Aufhebung von wirtschaftlichen Sanktionen und des Kulturboykotts gegen das Apartheidregime käme für seine Regierungspartei, die christdemokratische CDA, nur in Frage, wenn alle diskriminierenden Gesetze in Südafrika aufgehoben seien. Das findet jetzt nur noch der Koalitionspartner, die sozialdemokratische PvDA. CDA-Regierungsmitglieder meinen, de Klerk habe mit seiner mutigen Politik das Tor zu Verhandlungen mit der südafrikanischen Opposition geöffnet und Unterstützung für eine Aufhebung der internationalen Isolation Südafrikas verdient.

So schnell vollzieht die niederländische Öffentlichkeit einen solchen Umschwung nicht. Vertreter der Anti-Apartheid-Bewegung betonten, die geltenden Sanktionen müßten aufrechterhalten bleiben, solange die ausgrenzenden Gesetze in Kraft seien und politische Gefangene im Land am Kap ohne Prozeß festgehalten und gefoltert würden. Die einst in Europa stärkste und militanteste Anti-Apartheid-Bewegung hatte für den Tag des Besuchs die Frau des in Südafrika einsitzenden ANC-Führers Mac Maharaj eingeladen. Sie bat die niederländische Öffentlichkeit, sich vom Charme und der apostrophierten Integrität de Klerks nicht blenden zu lassen. „Aussöhnung kann nur von denen kommen, die unterdrückt wurden. Der Mann ist nicht legitimiert.“ Solange ihr Mann und mit ihm zahllose anderen von den Folterknechten des Regimes festgehalten würden und de Klerk kraft seines Amtes nicht einschreite, habe sich in Südafrika gar nichts verändert. „Er ist kein Messias des Friedens, er ist nur ein Trommler.“ Henk Raijer, Den Haag