Bussi-Publikum vor Krabbensalat

■ Über die aufwendig inszenierte Filmpremiere von »Die unendliche Geschichte II« im Zoopalast

Berlin. Hollywoods Tycoone haben bekanntlich immer den richtigen Riecher. Richard Folks, der Mister President der mächtigen Warner Bros International, legte sich also irgendwann Anfang Februar mit seiner Gattin darnieder, und pünktlich zum 9. November ward ihm ein Töchterlein geboren (oder sagt man bei Hollywoodgiganten, er brachte es heraus?). Diese äußerst deutschlandfreundliche Koproduktion mit Frau Präsident quittierten die im Zoopalast versammelten Ladies und Gentlemen am Mittwoch abend mit einem kurzen, richtig glücklichen Applaus. Einen ebenso kurzen gab es rund zwei Stunden später, als das 53-Millionen-DM-Rührstück Die unendliche Geschichte II in einem unendlichen Abspann ein Ende fand.

Der Mr. President (»direkt aus Los Angeles«) wird aber wohl dennoch genau wie beim Koitus für die Berliner Mauer den richtigen Riecher gehabt haben, schließlich war ja auch Folge I vor sechs Jahren trotz allem »in der ganzen Welt ein sensationeller Erfolg«. Vielleicht wird ja jetzt aus dem Bestseller von Michael Ende noch ein richtiger Steinbruch, aus dem man bröckchenweise Episödchen für 50-Millionen-DM-Epen herausschlagen kann — unendlich. Bloß in Börlinn sollte man die Folgen III, IV, V etc. vielleicht nicht mehr uraufführen. Zu dürftig war der Beifall des freudig in Abendgarderobe erschienenen Publikums. Vielleicht hatten die aber auch vor Freude über das Ereignis die schwierige Message des Kinderaugen-Tränen-Violinen- Epos nicht kapiert: Kleine Ami- Jungs brauchen bloß mutig zu sein, dann hat sie ihr Daddy am Schluß »sehr, sehr lieb«. Der deutsche Produzent dieser wichtigen Botschaft, Dieter Geissler, wurde trotz müden Beifalls nicht müde das »wunderbare« Werk unablässig zu preisen, Moderator Hennig Voskamp bedankte sich bei ihm dann auch artig dafür, daß er »uns zwei Monate vor Heiligabend so beschenkt hat«. Mindestens nach Bawäria sollte man Orgasmen dieser Art künftig doch wieder zurückverlegen, zumal von dort ein guter Teil des Bussi-Publikums nur aus patriotischen Gründen hatte eingeflogen werden müssen.

Dabei war doch alles so schön: Touristen und andere Passanten bildeten vor dem Zoopalast artig die unerläßliche Gasse für die Geladenen. Schwere Daimlers blockierten Bürgersteige und Radwege. Jobbende Studenten in glitzernden Filmgewändern aus Phantasien wiesen den Gästen den Weg. Leo vom gleichnamigen Münchner Klatschmagazin filmte eifrig paillettenbehängte Dahlemer Bankiersgattinnen, ein Heer von Fotografen drückte beim kleinsten Fusselchen Nerz sofort wild auf die Auslöser. Michael-Jackson-Verschnitt Joe Millner bewegte gekonnt die Lippen zum Playback von Georgio Moroders Titelsong Träume, die wir träumen. Jeder kriegte sogar ein Schächtelchen Langnese-Eiskonfekt und Clarissa Burt einen galanten Handkuß von Autor Michael Ende. Die Dame hatte mangels Alternativen die Rolle des Weltstars übernehmen müssen und stöckelte zur Freude aller in einem in allen Regenbogenfarben glänzenden Stück Paillettenstoff mit Schleppe durch den Zoopalast. Hernach ging's im Buskonvoi ins sowjetische Kulturzentrum an der Friedrichstraße. Dort gefiel allen die gewaltige Lenin-Figur im Foyer besonders gut. Daß es sich um ein sowjetisches Gebäude handelte, hatte man nicht in die Einladung geschrieben und den Ort zum »Centre of Culture and Congress« umgetauft, um die Herrschaften aus Kalifornien und vom Isarstrand nicht zu ängstigen. Kiloweise ganz schlicht angehäufte Shrimps und Garnelen, fingerdicke Lachshappen, und Moroder-Klänge erstickten dann endgültig alle Kommunistenängste. Zielsicher wurde Miss Burt, der man inzwischen trotz guter Heizung einen dicken Pelz über die Schultern geworfen hatte, vor einen Haufen Krabbenfleisch gestellt. Dort machte sie »cheese«, drückte den Busen gekonnt aus dem Geglitzer und wurde dafür mit einem Blitzgewitter belohnt. Über ihre Rolle, eine Art Joan Collins in Phantasien, verriet sie: »Dieser anspruchsvolle Part ist für mich eine große Herausforderung.«

Eine solche hat sie laut Programmheft bereits gekonnt im vergangenen Jahr gemeistert, als ihr in Rom »eine kurze leidenschaftliche Liebe zum omnipotenten Leinwandmacho Francesco Nuti ein ebenso unverhofftes wie überzeugendes Leinwanddebüt bescherte«. Ob Miss Burt, deren leidenschaftliche Liebe nach Ende der damaligen Dreharbeiten wieder abgeebbt sei, aus Anlaß der unsäglichen Geschichte erneut in eine Leidenschaft verfallen mußte, verriet die Warner-PR-Abteilung jedoch nicht. Immerhin hat man »die atemberaubende Schönheit« (PR- Text) aus einem Überangebot von 50 konkurrierenden Schönheiten heraus ausgewählt. Weniger beachtet wurde ob solcher Konkurrenz der zweite »Star« des Empfangs. Kenny Morrison, der pubertierende Darsteller des tapferen Kriegers Artreju, trieb sich unbehelligt zwischen den befrackten Herrschaften von Klatschpresse und Banken herum und kippte eilends einen Weißwein nach dem anderen. Ob der Junge mit solcherlei Hang zum Laster auch amerikanisch-kindlich genug für weitere wunderbare Folgen der Unvollendeten bleibt, fragt sich voll Sorge Thomas Kuppinger