Lehrer zwischen Vergangenheit und Zukunft

■ Debatte um die alten neuen Pädagogen auf einer Veranstaltung im Haus des Lehrers wiederaufgenommen/ Vergangenheitsbewältigung mit den Schülern gemeinsam/ Viele Lehrer warten noch auf die Entscheidungen von oben

Mitte. Man war schnell wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt. Das neue Schuljahr hat begonnen, und die Umwandlung des Schulsystems in der ehemaligen DDR bis zum nächsten Jahr muß unter ungeheurem Zeitdruck bewältigt werden. Organisatorische und strukturelle Fragen verdrängten die in den letzten Monaten oft Schlagzeilen machenden Diskussionen um die alten neuen Lehrer und Direktoren in der DDR.

Da war es angenehm, daß die DiskutantInnen der gestrigen Veranstaltung des August-Bebel-Institutes Die Berliner Schule zwischen Vergangenheit und Zukunft, die sicher noch nicht beendete Umstrukturierungsdebatte erst einmal beiseite schoben und darüber nachdachten, »welche Formen der Verständigung über unsere Vergangenheit angesichts der landesweiten Identitätskrise« jetzt notwendig seien, wie Freya Klier, Autorin des Buches Lüg Vaterland · Bildung und Erziehung in der DDR, erklärte.

Das Zusammenbrechen der ideologischen Stützpfeiler des gesamten Erziehungsgebäudes und der damit verbundene Verlust aller bisherigen Werte hinterließ tiefe Einschnitte, die mit dem Auswechseln der Bücher und Lehrinhalte sicher nicht überwunden werden können. Symptomatisch dafür ist das bloße Ersetzen des Unterrichtsfaches »Staatsbürgerkunde« durch sein westliches Pendant »Gesellschaftskunde«. Wo würde da der Raum in der Schule bleiben, in dem sich LehrerInnen und SchülerInnen miteinander über das Gewesene und das Kommende verständigen können?, klagte Freya Klier ein und schlug vor, daß kleine Gruppen aus LehrerInnen, SchülerInnen, PsychologInnen und Leuten aus anderen Bereichen der Gesellschaft über ihre Erfahrungen mit den Erziehungsmechanismen der DDR- Schule reden. »Ansonsten stülpt sich da etwas Fremdes über etwas Unbewältigtes«, und dies würde früher oder später wieder aufbrechen.

Tatsächlich sind die Lehrer derzeit in einer schwierigen Situation. Wo ihnen früher schon wegen »unerlaubter Stofferweiterung« Reglementierungen drohten, müssen sie jetzt viel Phantasie aufbringen, da der ehemalige Bildungsminister Hans Joachim Meyer nicht einmal Rahmenstoffpläne hinterlassen hat. Ob ihnen das überhaupt möglich sei, wurde in der Runde von Peter Hübner (Freie Universität) angezweifelt, schließlich haben viele Lehrer selbst für die reibungslose Umsetzung der »Kommandopädogogik« und damit für »die Institutionalisierung der Unwahrheit« gesorgt. Außerdem seien sie sogar selbst durch diese »dem Individum seine Legitimität entziehende Schule« gegangen. Daß dieses Problem doch komplizierter ist, als man es mit Schlagwörtern benennen kann, zeigt auch das Eingeständnis des Westlers Hübner, nicht über das ethische Problem der Ostlehrer urteilen zu wollen.

Dieter Pavlik, Stadtrat für Volksbildung, selbst 35 Jahre im Lehrerdienst gewesen, wagt sich fast als einziger »Betroffener« im Saal an dieses schwierige Thema der eigenen Vergangenheit. Nur die wenigsten Lehrer haben den Widerspruch zwischen dem Anspruch nach schöpferischer Arbeit mit den Schülern und einem starren Lehrplanreglement aushalten können. Da war das Befolgen von Anweisungen am einfachsten. Auch jetzt würde zu sehr darauf gewartet, daß der Magisenat Entscheidungen treffe, anstatt selbst initiativ zu werden. Wenn Direktoren kein Vertrauen mehr genießen (nur ein Drittel aller Direktoren wurde neu gewählt), wenn Lehrer als ehemalige Mitarbeiter der Stasi nicht mehr tragfähig sind, müssen, so Pavlik, sich die Schulen und der Stadtbezirk selbst darum kümmern. Er habe schon für ein Regulativ gesorgt, als er die Direktorenposten bis zum nächsten Jahr befristet habe.

Gegen die Rechtsüberstülpung kann sich jetzt niemand mehr wehren, nächstes Jahr gilt des Schulgesetz für Gesamt-Berlin. Doch wenn dann an jeder Schule ein neues Schild hängt, wird der Prozeß noch längst nicht abgeschlossen sein. Wichtiger ist jetzt, die Defizite in der Lehrerbildung und die Reform der Lehrinhalte, die auch im Westen vernachlässigt wurde, gemeinsam anzugehen, ohne dabei noch einmal die Schulsystemdebatte von vor zehn Jahren aufzurollen. Anbau