ANC bestürzt über Verfassungsbericht

Johannesburg (taz) — Ein Gremium des südafrikanischen Parlaments hat am Mittwoch Grundlagen für eine neue Verfassung veröffentlicht, die zwar ein allgemeines Wahlrecht, aber gleichzeitig den Schutz von Minderheiten vorsehen. Die Vorschläge sind in einem Bericht des Präsidentenrates enthalten, einem parlamentarischen Beratungs- und Schlichtungsgremium. Der Bericht könnte als Grundlage der Regierung bei Verhandlungen über eine neue Verfassung mit Organisationen der schwarzen Mehrheit dienen.

Er sieht zwei Kammern für ein neues Parlament vor — eine untere Kammer, die nach dem Verhältniswahlrecht von allen gewählt wird, und eine obere Kammer, in der „Gemeinschaften“ vertreten sind und die ein Vetorecht gegen Gesetzesvorlagen hat. Weitere Empfehlungen: festgeschriebene Menschenrechte („Bill of Rights“); unabhängige Gerichtsbarkeit; ein Verfassungsgericht; das Recht auf Privatbesitz in freier Marktwirtschaft.

Im ANC zeigte man sich ob des Berichts bestürzt über die Empfehlung einer zweiten Kammer, die ein Vetorecht besitze, sagte Zola Skweyiya, Vorsitzender des ANC-Komitees für Verfassungsfragen. Mit einer „Bill of Rights“ und einer unabhängigen Gerichtsbarkeit könnten Minderheiten genügend Schutz erfahren. Wie Staatspräsident de Klerk häufiger verlautete, will er eine endgültige Verfassung in einem Referendum von der weißen Bevölkerung absegnen lassen. Albie Sachs, ANC-Verfassungsexperte, sagte am Mittwoch, die Regierungsposition beweise, daß „es noch ein langer Weg ist, bis wir eine akzeptable demokratische Position erreichen“. Hans Brandt