Niederlage für Benazir Bhutto

Überwältigender Sieg der IJI/ Neun Tote und 66 Verletze bei den nationalen Wahlen in Pakistan/ Benazir Bhutto spricht von massiver Wahlfälschung  ■ Aus Pakistan Simone Lenz

Die eigens angereiste Wahlkomission aus Washington dürfte vor keiner leichten Aufgabe stehen. Sollten die vierzig Mitarbeiter das über die Maßen eindeutige Wahlergebnis bestätigen, wonach die Pakistan People‘s Party Bhuttos nur 50 der 217 Sitze in der Nationalversammlung behalten, die Islamische Demokratische Allianz (IJI) mit ungefähr 100 aber doppelt soviele Sitze okkupiert, dann sicherlich mit einem unguten Gefühl. Benazir Bhutto erklärte allerdings schon in der Nacht zum Donnerstag, die Wahlurnen seien dieses Mal geschlossen, aber dann nicht mehr geöffnet worden. Unter den Augen der noch zu Zeiten des General Zia Ul-Haq handverlesenen und IJI-loyalen Administration seien ganze Wahlurnen ausgetauscht und etliche Wähler mehrfach an die Boxen getreten. Im Wahlkreis Nawabshah seien Wahlhelfer ihres Gatten Zadari gar von Polizeikräften aus der Wahlstation gezerrt worden. Eine Aktivistin des pakistanischen Women Action Forum (WAF), die sich für die PPP in Lahore engagiert hatte, wußte sich den erdrutschartigen Einbruch der PPP in der Metropole der bevölkerungsreichen Provinz Punjab nur durch die bereits vorab bekanntgewordenen Fälschungen zu erklären. Für den äußerst erfolgreichen Kandidaten der IJI und Anwärter auf das Amt des Premierministers Nawaz Sharif seien allein in einem Haus 600 Wähler gemeldet worden. „Unser Einspruch wurde mit der Begründung, er sei zu spät erhoben worden, abgelehnt.“ Unerklärlich auch in Rawalpindi der überwältigende Sieg Ejaz Ul-Haqs, Sohn des abgestürzten General Zia, gegen einen äußerst starken PPP-Kandidaten. „Definitiv muß da Fälschung am Werk gewesen sein“, kommentiert ein pakistanischer Beobachter, „aber dennoch ist dieses klare Ergebnis ein Segen für Pakistan, wenn sich die PPP damit abfindet und ihre Hausaufgaben macht. Ein knappes Ergebnis hätte uns die gleiche Prozedur in kurzer Zeit noch einmal eingetragen“, meint der im Grunde beherzte PPP- Anhänger. Benazir Bhutto konnte sich zwar ebenso wie ihre Mutter und Ehemann Zadari einen Sitz in der Nationalversammlung sichern, mußte aber in der Nordwest-Frontier-Provinz eine erste Niederlage und insgesamt die zweite der Bhuttos in zwanzig Jahren hinnehmen. Ihr Vater hatte seinerzeit ebenfalls in der an Afghanistan angrenzenden Provinz einen Wahlkreis verloren.

Tatsächlich ist die denkbar niedrige Wahlbeteiligung auch ein Indiz für die Desillusionierung der pakistanischen Wählerschaft. Die sechshundert Einwohner des ganzen Dorfes Sargodha haben die Wahlen gar geschlossen boykottiert, weil die dort regierende IJI-Administration nicht in der Lage gewesen sei, die notwendigen Bewässerungsanlagen zu beschaffen. Es scheint, als sei für viele die Bhutto-Regierung keine annehmbare Alternative mehr. „Bleibt nur zu hoffen, daß die fortan amtierende IJI-Regierung ihren so prononciert anti-imperialistischen Standpunkt, den sie gerade in punkto US-Hilfe und islamische Bombe (das pakistanische Nuklear-Programm), das sie in den vergangenen Wochen gegen die Bhutto-Regierung ins Feld geführt hat, auch in Zukunft beherzigt. Das allerdings bezweifele ich stark,“ merkte der bereits erwähnte Beobachter noch an. Zuallererst aber dürfte sich die IJI-Allianz vor die schwierige Aufgabe gestellt sehen, den zukünftigen Premierminister zu nominieren. Alle in Frage kommenden Anwärter, Jatoi, Junejo und der Mann aus dem Punjab, Nawaz Sharif, konnten sich einen Sitz in der Nationalversammlung sichern. Die ökonomischen Einbußen, die die Golfkrise mit sich bringt, dürften das Regieren in den nächsten Monaten nicht einfacher machen. Um jeden Preis aber will die amtierende Regierung unter Ishaq Khan für stabile Verhältnisse, Ruhe und Ordnung in diesem Land sorgen, so jedenfalls seine erste Verlautbarung.