„Mitmachen und sich einmischen“

■ Marianne Birthler vom Bündnis 90 zur Regierungsbeteiligung der Bürgerbewegungen INTERVIEW

taz: Was bedeutet die Regierungsbeteiligung für euch, die ihr bislang außerparlamentarisch gearbeitet habt?

Marianne Birthler: Zweifel, ob das richtig ist, haben wir nicht. Wir haben immer gesagt, daß wir die politische Verantwortung möchten. Insofern sind wir im Moment zufrieden. Das sind jetzt einfach andere Herausforderungen. Die Leute müssen sich jetzt darauf einstellen, daß sie die Regierungspolitik auch mittragen. Und das ist etwas anderes, als aus der Opposition heraus einen Freifahrschein für Kritik zu haben. Aus diesem Grund halte ich es für sehr wichtig, daß die Parlamentsfraktion unabhängig von der Regierung bleibt.

Wie definiert Ihr euer Verhältnis zu den außerparlamentarischen Gruppen? Die Grünen haben das unter den Stichworten Standbein und Spielbein diskutiert.

Damit ist so eine Rangfolge verbunden. Was Priorität hat, entscheidet sich doch von Fall zu Fall. Ich habe in meinen Volkskammerausschuß mehrfach Vertreter von Bürgerinitiativen geholt. Wir müssen sie unterstützen in ihrer Arbeit. Ich glaube, vom Parlament können wichtige Impulse dafür ausgehen, daß Bürgerinnen und Bürger verantwortlich mitarbeiten.

Ihr werdet auch in die Situation kommen, daß die Initiativen versuchen, euch zu Lobbyisten zu machen.

Ich bin sehr gespannt auf diese Diskussion. Ich denke, daß man ernsthaften Konflikten vorbeugen kann, indem man von vornherein die Verständigung sucht. Insgesamt hat das Bündnis 90 in Brandenburg eine große Rückendeckung für die Regierungsbeteiligung. Wir sind allerdings auch denen, die außerparlamentarisch arbeiten, viel schuldig.

Habt ihr Sorge, daß jetzt, wo die CDU außerhalb der Landesregierung bleibt, aus Bonn kein Geld fließt?

Also wenn dieses Argument noch länger in der Öffentlichkeit rumgegeistert wäre, hätte ich an den Kanzler Kohl geschrieben — der Brief war schon fertig — und ihn aufgefordert, sich eindeutig gegen solche Vorwürfe zu verwahren. Das ist eine Unterstellung, daß sich die Bundesregierung in ihren Finanzentscheidungen von parteipolitischen Interessen leiten läßt.

Der Berliner Finanzsenator hat da aber durchaus entsprechende Erfahrungen gemacht.

Aber solange ich diese Erfahrungen nicht gemacht habe, appelliere ich an die Bundesregierung, solche Unterstellungen von sich zu weisen.

Ihr geht sehr offen an die neue Situation heran.

Wir haben noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Das heißt ja nicht, daß wir blauäugig sind. Wir wissen auch, daß die Probleme jetzt erst anfangen. Es knackt und knirscht ja an allen Ecken in diesem Land. Und ich kann mir keine Partei vorstellen, die, ohne sich dreckig zu machen, aus dieser Regierung rauskommt. Man muß sich eben entscheiden, ob man in der Ecke sitzenbleibt und meckert oder ob man mitmacht und sich einmischt. Daß wir da Federn lassen müssen, ist klar.

Die Alternative Liste in Berlin hat mit der SPD die Erfahrung gemacht, daß es am Anfang so schien, als gebe es große inhaltliche Übereinstimmung. Sie hat dann versäumt, in der Koalitionsverhandlung Pflöcke einzuschlagen. Wollt ihr daraus Lehren ziehen?

Die SPD in der DDR ist nicht die SPD in West-Berlin. Und wir sind nicht die AL. Ich mag mir keine guten oder schlechten Erfahrungen vorgeben lassen. Interview: Brigitte Fehrle