DDR-Urteile können kassiert werden

■ Justizminister Engelhard: Ansprüche auf Kassation und Rehabilitierung müssen bis zum September 1992 geltend gemacht werden/ Humanistische Union weiter für Amnestie

Bonn/München (taz/dpa) — Rechtsstaatswidrige Urteile von Gerichten der ehemaligen DDR können auf Antrag aufgehoben werden. Daran erinnerte gestern Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP). Die Frist für entsprechende Anträge läuft bis zum 18. September 1992. Wer allerdings sein Vermögen zurückerstattet bekommen möchte, das aufgrund solcher Urteile verloren ging, muß seinen Anspruch bis zum 31. März 1991 geltend gemacht haben. Rechtsstaatswidrige Urteile können dann kassiert werden, wenn sie auf einer schwerwiegenden Verletzung ehemals geltenden DDR- Rechts beruhen, sagte Engelhard. Wurden die Betroffenen allein wegen der Wahrnehmung verfassungsmäßiger politischer Grundrechte verurteilt, so können sie jetzt rehabilitiert werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine rechtsstaatswidrige Einweisung in eine psychiatrische Anstalt verfügt wurde. Anträge auf Kassation oder Rehabilitierung können an die ehemals zuständigen Bezirksgerichte oder an jedes andere Gericht in den neuen Bundesländern geschickt werden. Das Bundesjustizministerium rechnet mit 100.000 Anträgen. Zur Abwicklung der vermögensrechtlichen Ansprüche auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sagte der Bundesjustizminister, sie gestalte sich als „ungeheuer schwierig“. In den Liegenschaftsämtern herrsche ein absolutes Chaos, in den Grundbüchern seien zum Teil ganze Seiten geschwärzt, sagte Engelhard in München. Mehr als 100 West-Richter amtierten bereits in den fünf neuen Ländern, um dort die Gerichtsbarkeit aufzubauen. Bisher habe es weder eine Verwaltungs-, noch eine Sozial- oder Finanzgerichtsbarkeit gegeben.

Die Humanistische Union erneuerte unterdessen ihre Forderung nach einer Amnestie. Nachdem ein Straffreiheitsgesetz zum Tag der deutschen Einheit gescheitert ist, forderte die Humanistische Union nun anläßlich der ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember den Bundestag auf, ein Straffreiheitsgesetz zu verabschieden, „um den inneren Frieden im vereinigten Deutschland zu fördern und dem in beiden Teilstaaten unterschiedlich gewachsenem Rechtsbewußtsein gerecht zu werden“. Unabhängig von der Höhe der verbüßten oder noch ausstehenden Strafe sollten alle Spione und ihre Informanten in Ost und West amnestiert werden — ebenso müßte bei Strafen im Zusammenhang mit Demonstrationen der Bürgerrechts-, Friedens- oder Anti-Atomkraftbewegung verfahren werden. Auch Straftaten, die im jeweils anderen Teil Deutschlands nicht verfolgt wurden — darunter fielen insbesondere Verurteilungen im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabrüchen, Homosexualität oder Gotteslästerungen, sollten nach dem Willen der Humanistischen Union unter ein Straffreiheitsgesetz fallen. wg.