Pidder Lüng in Fishtown

■ Wie SPD-Fraktionsgeschäftsführer beim Wahlkampf dicke Backen macht

Kennen Sie diese rasante Ballade über den Sylter Volkshelden Pidder Lüng, der sich mit der nackten Faust gegen ein ganzes Heer habgieriger Söldner aus Tondern zur Wehr setzt? Detlev von Liliencron hätte sein Werk wahrscheinlich 400 Kilometer weiter südlich angesiedelt, hätte er gewußt, mit welchen Manschetten in Bremerhaven für die Freiheit gefightet wird.

Den jüngsten Beweis liefert die SPD-Wahlkampfzeitung „Unser Bremerhaven“. Dort haut der Fraktionsgeschäftsführer Siegfried Breuer ganz heldenhaft auf die Propagandakacke, daß es nur so kracht. Dem Sozi geht der Mund über, denn „Neider in Bremen gönnen uns neues Kunstmuseum nicht“.

Neider, das seien der ehemalige Bildungssenator Horst-Werner Franke und Senatsdirektor Reinhard Hoffmann, die beide erhebliche Bedenken gegenüber dem Kulturpalast des Investors Hans Grothe geäußert hatten.Die beiden hatten unter anderem anzumerken gewagt, daß erstens Bremerhaven kein Ort für Kunst und zweitens so ein Projekt nicht allein mit dem Senatspräsidenten im Badeurlaub ausgehandelt werden kann. Nachzulesen ist diese Kritik in der taz, die Herr Breuer als Gazette zu bezeichnen beliebte. Doch mit der Verteilung der Bremerhavener Wahlkampfzeitung wird jetzt gegen solche Hetze zurückgeschossen.

Die „Giftpfeile gegen Bremerhaven“ hatten Breuer aber offenbar genau in die Augen getroffen. Und wer blind ist, schießt halt auch oft vorbei: Denn in den indizierten Äußerungen der beiden Bremer witterte der eifrige Wahlkampf-Kackenhauer offenbar eine globale Breitseite gegen sein geliebtes Fishtown. Und holte aus zu einem historischen Rundumschlag, der geneigte wie ungeneigte LeserInnen bis ins 16. Jahrhundert zurückführt. Bereits damals hätten die Bremer schon versucht, die kunstbeflissenen Wurster Bauern mit fremden Söldnern zu unterjochen, wohlwissend, daß sich möglicherweise 400 Jahre später ein Duisburger Investor mit einem kecken Ausstellungskonzept an Bremer Würde kratzen würde.

Historisch betrachtet sei der vorliegende Kasus mit Franke und Hoffmann die Wiederholung der Geschichte, wobei der taz die üble Aufgabe des Söldnerheeres zugewiesen, Franke zum Erzbischof befördert wird und Hoffmann sich mit einem unterbezahlten Pfaffenjob abfinden muß.

„Der Kampf muß weitergehen“, fordert Breuer hartnäckig, und wenn die Sozis schon bundesweit die Köpfe hängen lassen, da kann man doch im Bundesland Bremen wenigstens richtig sozialdemokratisch durchatmen. Und die Geschichte gibt ihm recht: Die Wurster wurden 1524 von den bischöflichen Söldner verwurstet, und Pidder Lüng fiel gegen Tondern scheibchenweise. Rosi Roland