So a merkwürdige G–schicht!

■ Gespräch mit Erwin Leder, Wiener Komikerdarsteller mit Valentin-Programm

Sterbenskrank war er, Kiefer vereitert, Niere kaputt, da hat er sich, schon mitten im Studium, gesagt, jetzt werd ich doch kein Arzt, wie damals in Ybbs der Vater einer gewesen ist, sondern ein Schauspieler, und war am nächsten Tag gesund. So auf den Tod genau kann er das Leben ausstehen, der Erwin Leder, es funktioniert entweder oder es funktioniert nicht. Wir sitzen beim Abendessen, im Medoq gleich hinter der Schauburg, wo er, der Wiener, seit einer Woche jeden Abend auftritt und ein Karl-Valentin-Programm vorspielt (s. taz vom 19.10), immer mit prüfendem, skeptischen Blick ins Publikum, wie ein Oberarzt auf Visite, der ein Theater macht, damit er nicht sagen muß, was er sieht. „Weißt, so eine Art Patienten sind die Zuschauer schon“, sagt er und kämmt mit der Gabel ein Häufchen Nudeln. „Freilich, sie gehn ja doch ins Theater!“

In Valentins Firmling erzählt der Vater, er habe für seinen Buben von einem alten Kriegskameraden einen abgetragenen Anzug geschenkt bekommen und, er sagt das, weil fassungslos, in einem fort: „Der Anzug hat paßt! Wo der mein Bubn gar net kennt!!!“ Erwin Leder ist 35 Jahre alt geworden und dem Valentin immer ähnlicher, und hat ihn gar net kennt, sondern vor 5 Jahren erst kennengelernt, aber als Kind schon war er, der Erwin Leder, ein Possenjäger und Wortsteller, sagt er und macht mir gleich die Silbenspiele vor, die er mit seiner Schwester immer gespielt hat, pillulei ho paratukki, tschimmi pa ho krallaha!, und wie er sein Gesicht dabei auch faltet, immer sieht er ein wenig besorgt aus, immer nimmt er einen mit seinem aufmerksamen Blick in sanfte Haft. Daß man versteht, was er meint. „Die Schwester macht jetzt ganz was anderes“, sagt er und lacht, „die ist Logopädin geworden“.

Er also Schauspieler. Und fast auch ein Musiker, Schlagzeug nämlich, „auch so a merkwürdige G'schicht!“, er braucht es, daß er zur Not restlos alles kann, eben auch der Schauspieler eines Schauspielers sein, und daß man grad für den Valentin eine Musikalität haben muß, das ist doch wieder so ein Zufall. Schon lacht er wieder und singt, ein wenig unterdrückt, wegen der Leute, das Lied vom „Sonntag“, eine hymnische, endlose Litanei auf das Nichtssagende. Das gefällt ihm, dem Erwin Leder, aus den ausgelaugten Sprachknochen noch ein Drama machen. In Wien hat er mit Freunden ein Stück herausgebracht, für ganze zwei Aufführungen, ein melopathetisches, säuberlich eingeteiltes Drama aus nichts als Phrasen.

Er will ja den Valentin keinesfalls kopieren, sagt er. Schon weil er, ausgehend von diesen seltsamen, beinharten Texten, zu ganz anderem, milderem Spiel kommt. Es ist immer so, sagt er, als wunderte er sich über das, was er sagt. Aber äußerlich hat er seine Figur äußerst genau ausgestattet, da stimmt jedes Detail, weil „das muß sein“, sagt er, „diese Penetranz, die Diffizilität der Figur muß stimmen, daß man merkt, so genau, so unverfroren genau wie sie ist, so zerbrechlich ist sie auch“.

Und selber? „Ja, jetzt wenn meine Frau da wär!“ Sein Schreibtisch, ha, ein Chaos, aber jedes Stück hat seinen exakten Platz, wehe, wenn nicht. Seine Proben würde er am liebsten mit Videoaufzeichnung verfolgen, daß er eine genauere Kontrolle kriegt über seine Äußerungen, „aber weißt“, sagt er und schaut wieder dermaßen lieb, „das geht ja eh nicht. Das können ja nur die andern beurteilen, was von dir kommt. Davon siehst ja nix. Das ist eine Art security code, daß man selber nicht rankommt.“

Manfred Dworschak

Erwin Leder tritt mit seinem Karl- Valentin-Programm „Kragenknopf und Uhrzeiger“ noch bis 31. 10. täglich außer montags um jeweils 22 Uhr im Kleinen Haus der Schauburg auf, danach am 1. und 2. 11. um je 20 Uhr im KITO zu Vegesack, und hinterher als Zugabe noch einmal am 3. und 4. 11. in der Schauburg, um 22 Uhr, dann endgültig nimmermehr.