Sprechen, Sprühen, Schießen

■ Das Potsdamer Sondereinsatzkommando (SEK) stellt sich vor

Noch schießen die SEK-Männer aus Potsdam-Bornim mit »SU-Produkten«, wie ihr Chef, Polizeirat Fabian, das ausrückt. Rang West — Sprache Ost. Noch tragen die 30 Superbullen schwere, schußsichere Westen aus Titanstahl statt aus dem westlichen High-Tech-Produkt »Kevlar«. Ihre Uniformen sehen eher nach zentralafrikanischem Söldner aus als nach deutschem Beamten. Nur eins hatte das Ost-SEK schon seit seiner Gründung 1974 so richtig mit den Westkollegen gemein: das beidhändige Pistolenschießen à la Miami Vice. Die Normal-Vopos pflegten einarmig niederzustrecken. Aber bald wird Gladbeck auch in Brandenburg sein, da ist Fabian sicher: »Wir werden uns an den NRW-Strukturen orientieren.« Aber man sehe ein, daß die Aufstockung auf 65 Mann und neue Ausrüstung noch warten müßten. »Anderes ist jetzt wichtiger.«

Der weinrote Lada bremst in der Kurve, schliddert, die Türen werden aufgerissen. Drei maskierte Beamte fallen heraus und ballern, liegend, hockend, stehend, ihre Magazine leer. Mission erfüllt, Geisel befreit: Die drei großen schwarzen bösen Pappkamerden sind durchlöchert, die kleine helle Sperrholzsilhouette bleibt unversehrt, zumindest ist auf 20 Meter Entfernung für den Laien nichts Gegenteiliges erkennbar. Es stinkt nach Pulverdampf und Lada, Ende der Vorführung — nur fürs Fernsehen müssen die drei Schützen ihre Knarren noch mal ins Publikum richten, wegen der Dramatik.

Drinnen, im Ex-Stasi-Objekt, wo das SEK seit August residiert, nüchternes Zweckmobiliar, kahle Wände. Nur die Vitrinen mit kleinen Übungsmodellen im Spielzeugeisenbahn-Maßstab und die Schautafel Öffnungsmethoden KFZ sorgen für ein wenig Abwechslung.

Drei Polizisten wollen den Bürgern ihr SEK näherbringen: »Bei explosionsartigem Anstieg der Kriminalität müssen wir zeigen, daß wir einsatzbereit sind.« Die Eigenpräsentation ist auch notwendig, denn, nach dem Weg zum Polizeiobjekt befragt, niemand weiß im Ort was von Polizei. Polizei hier in Bornim? SEK — was? Ne, da gebe es so ein Stasi- Objekt oben versteckt im Wäldchen auf dem Hügel: »Da wo immer die Mahnwache war.« Kein Wunder also, daß Polizeirat Fabian und der Pressesprecher das heikle Thema Stasi gern auf Anfrage anschneiden. Beispielsweise sei man »nicht besonders glücklich über die territoriale Nachbarschaft zu den Stasi-Akten«. Die gesamten Potsdamer Spitzelakten lagern nämlich hier. Aber davon, daß man Ex-Stasi-Leute unter den SEK-Polizisten habe und daß das SEK sich Zugang zu den Akten verschafft habe, könne keine Rede sein. Nach solchen Anwürfen der örtlichen Grünen und Leuten der »Mahnwache« habe man die Personalakten überprüft und die Bewachung des Geländes verstärkt. Stolz führt Fabian noch an, daß er im vergangenen November »unter Inkaufnahme möglicher persönlicher Nachteile« die Indienststellung von Ex-Stasis abgelehnt habe.

Zu Sonderkommandos habe sich die Staatsführung damals Anfang der 70er »in der Zeit der großen Anschläge« des »Terrorismus in anderen Ländern« durchgerungen. Haupttätigkeit sei dann aber die Fahndung nach Deserteuren der Sowjetarmee gewesen. »Arme, bewaffnete Menschen, die nichts zu verlieren hatten«, wie der Pressesprecher weiß. Mindestens einmal pro Woche sei man »nach Anrufen der Kommandeure« auf Jagd gegangen. Doch heute ist diese unkomplizierte Hilfe nicht mehr so ohne weiteres möglich. »Die Sachlage hat sich grundlegend geändert.« Selbst für eine bloße »Aufenthaltsermittlung« müßte nun eine »politische Entscheidung« und »eine rechtliche Basis« her. Das SEK werde desertionsmäßig nur noch bei angedrohten und vollführten Straftaten, Waffengewalt und »Gefahr im Verzuge« eingesetzt, stellt Pressesprecher Piorkowski gern und schnell klar.

Natürlich habe man ab und an auch mal Veranstaltungen und einzelne Funktionäre beschützt, beispielweise »irgendwann in den 70er Jahren« mal den SED-Bezirkschef Jahn oder ein Treffen sozialistischer Finanzminister aus aller Welt. Viel genauer möchte SEK-Fabian nicht werden, stellt aber klar, daß es bislang keinen Todesschuß gegeben habe und man solche auch in Zukunft vermeiden möchte. »Sprechen, Sprühen, Schießen« sei das Einsatzmotto seiner Mannen. Wolkig behandelt wird auch das Thema Oktober und November 1989. Natürlich sei das SEK »einsatzbereit« und »in der Stadt präsent« gewesen, damals. Aber: »Wir haben keine Aufgaben lösen müssen«, schiebt Fabian nach. »Wir haben uns alle Gedanken gemacht und entschieden, daß wir zu Einsätzen nicht bereit gewesen wären.« Und wozu sind sie heute bereit? Heute in der Zeit der »Wahlperioden« schützen sie hauptsächlich die Polit-Promis, die in Potsdam reden. Da müssen schon mal den begeisterten Kohl-Fans die Baseballschläger abgenommen werden. Und der »Opposition« schadet die »Präsenz« der SEK-Leute ganz gewiß nicht.

Nur eines findet Fabian bei all der neuen Freiheit richtig bedauerlich: daß er in Zukunft keinen »jungen, erzieh- und formbaren, belastungsfähigen« Nachwuchs mehr bekommen wird. Denn nun gelten auch fürs Ost- SEK die westlichen Standards. Und ins Sondereinsatzkommando kommen erst Männer ab 27 Jahren, die fünf Jahre Ausbildung hinter sich und womöglich schon störende »persönliche Gewohnheiten« angenommen haben. Früher war es eben doch besser. Da bekam Fabian noch Jungs ganz frisch vom Militärdienst. Sechs Monate Dienstlehrgang und fertig. kotte