CDU läßt Mantel fallen

■ Innerparteilicher Streit in der CDU: Diepgen fällt beim Mantelgesetz um/ Hintergrund ist das Ausländerwahlrecht/ Abgeordnetenhaus vertagt sich

Rathaus Schöneberg. Die letzte Sitzung des Westberliner Abgeordnetenhauses war wieder nicht die letzte. Der Grund: Die CDU-Fraktion vollzog in Sachen Mantelgesetz einen doppelten Rittberger und erklärte gestern nach den Haushaltsberatungen, dem 2. Mantelgesetz, das die Übernahme von erst jüngst verabschiedeten Gesetzen im Ostteil der Stadt regeln sollte, nun doch nicht zustimmen zu wollen. Hintergrund für das wankelmütige Stimmverhalten der CDU ist der Streit um die Übernahme des kommunalen Ausländerwahlrechts zwischen Ost- und Westfraktion. Wie berichtet, hatte die CDU diese Woche im Einheitsausschuß dem gesamten Mantelgesetz zugestimmt. Ursprünglich wollte die West-CDU verhindern, daß in einer Generalklausel des Mantelgesetzes das Ausländerwahlrecht mit enthalten ist. Da die Ost-CDU aber aus koalitionsinternen Gründen nicht hinter das in Ost-Berlin geltende Ausländerwahlrecht zurückfallen wollte, blieb das Wahlrecht im Mantelgesetz enthalten.

In der Fraktion der West-CDU löste das Verhalten der Fraktionsspitze großen Ärger aus, denn schließlich setzt der CDU-Wahlkampf massiv auf eine Kampagne gegen das Wahlrecht. In einer nächtlichen Sitzung am Donnerstag nach der Plenarsitzung wurde CDU-Oppositionschef Diepgen und dem Verfassungsexperten Finkelnburg gründlich der Kopf gewaschen. Beide wären bereit gewesen, im Sinne der Einheit dem Mantelgesetz zuzustimmen und dafür das Wahlrecht nicht audrücklich auszunehmen, das ohnehin erst im Juli 1991 in Kraft treten soll. Um aus dieser Bredouille herauszukommen, blieb der CDU gestern nichts anderes übrig, als eine Vertagung zu beantragen. Unverhoffte Schützenhilfe leistete dabei eine Nachricht aus Karlsruhe: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen kommunales Wahlrecht soll bereits nächsten Dienstag verkündet werden. Die Vertagung konnte damit juristisch begründet werden, obwohl ein politischer Konflikt dahintersteckt. Denn Diepgen behauptete gestern zwar vollmundig, auch die CDU- Fraktion in Ost-Berlin sei der Meinung, daß das Gesetz verfassungswidrig sei. Die Nagelprobe in der nächsten Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch, in der das Mantelgesetz dort übernommen werden sollte, blieb aber erspart. Die Koalitionsparteien ließen es sich nicht entgehen, den Vorfall genüßlich auszuschlachten. Allerdings wollte man wegen des Karlsruher Urteils kein Risiko eingehen und beantragte eine Rückverweisung des Mantelgesetzes an den Einheitsausschuß. Da allgemein mit einem negativen Urteil der obersten Richter gerechnet wird, könnte sich das kommunale Ausländerwahlrecht in Berlin bald erledigt haben. kd