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Flughafenanwohner gehen in die Luft

■ Tegeler Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz klagt gegen Winterflugplan: »400 Starts und Landungen täglich bedrohen körperliche Unversehrtheit«

Berlin. Die lärmgeplagten AnwohnerInnen des Flughafens Tegel wollen dem steilen Anstieg der Zahl der Starts und Landungen nicht länger tatenlos zusehen. Ein Mitglied der Reinickendorfer »Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz« hat jetzt Klage und einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Ausweitung des Flugverkehrs in Tegel bedrohe die »körperliche Unversehrtheit« der vom Fluglärm betroffenen Anwohner, heißt es in der Begründung.

Die Klage richtet sich gegen den von Bundesverkehrsminister Zimmermann genehmigten Winterflugplan, der am Sonntag in Kraft tritt. Danach muß Tegel täglich etwa 400 Starts und Landungen verkraften. Gegenüber der bisherigen Zahl von 270 sei das eine »fast fünfzigprozentige Erhöhung«, klagte die Reinickendorfer AL gestern. Noch 1987 lag die Zahl der Flugbewegungen bei 170, stieg dann aber schon in den letzten zwei Jahren aufgrund der Liberalisierung des Berlin-Flugverkehrs stark an.

»Das ist ein unglaublicher Wahnsinn, der mit den Leuten gemacht wird«, stellte gestern BI-Sprecher Johannes Hauenstein fest. Der neue Flugplan führe dazu, daß alle zweieinhalb Minuten ein Flugzeug über die Köpfe der Airport-Anrainer donnere, zu manchen Tageszeiten sogar noch öfter: »Da hat man den einen noch im Ohr, da kommt von der anderen Seite schon der nächste.«

In ihrer Klageschrift wirft die Initiative Zimmermann vor, bei seiner Entscheidung einseitig die Interessen der Fluggesellschaften und Flugreisenden vertreten zu haben. Die »Belange der Bevölkerung« in Flughafennähe seien vernachlässigt worden. So habe es der Bonner Minister versäumt, einen Teil der Flüge nach Schönefeld umzulenken, obgleich dort weit weniger Anwohner vom Fluglärm betroffen seien als in Tegel. Während im engeren Einzugsbereich in Tegel 28.000 Wohnungen stünden, seien es in Schönefeld nur 2.000, erläuterte Hauenstein. Darüber hinaus fehle für den Flughafen Tegel angesichts des dramatischen und unvorhergesehenen Anstiegs der Passagierzahlen eine hinreichende Betriebsgenehmigung.

Die Bürgerinitiative hatte schon im Dezember 1988 wegen des wachsenden Fluglärms eine Klage eingereicht. Damals hätten jedoch die Alliierten ein Gerichtsverfahren »blockiert«, indem sie das Verwaltungsgericht für unzuständig erklärten, bedauerte Hauenstein. Die Bürger lassen sich von dem renommierten Berliner Anwalt Reiner Geulen beraten, die Aussichten der Klage und des Antrags auf einstweilige Anordnung sind jedoch offen. Aufgrund der alliierten Lufthoheit, die in West-Berlin bis zum 3. Oktober galt, herrsche ein juristisch »konfuser Zustand«, für den es in Westdeutschland keinen Präzedenzfall gebe, meinte Hauenstein. hmt

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