Verstümmelung des weiblichen Geschlechts

■ Die Beschneidung von Frauen in Afrika, Asien und Australien Auch in Europa und den USA ist die Praxis bekannt

Die Beschneidung des weiblichen Genitals wird bis heute in vielen Ländern Asiens und Afrikas praktiziert, obgleich sie in vielen Fällen durch das Gesetz verboten ist und/oder seit Jahrzehnten Kampagnen gegen sie geführt werden. Diese Kampagnen standen seit je unter dem Verdacht kolonialer Fremdbestimmung, was sich zum Teil geradezu kontraproduktiv auswirkte (besonders seit den 30er Jahren im Sudan). Im 19.Jahrhundert wurde die Entfernung der Klitoris auch im Westen — England, USA — als Mittel gegen weibliche Hysterie propagiert; die letzte bekanntgewordene Operation wurde 1953 an einem 12jährigen Mädchen in Kentucky ausgeführt.

Es existieren drei Formen der rituellen genitalen Verstümmelung von Frauen in Afrika: die pharaonische Beschneidung oder Infibulation besteht in der Entfernung von Klitoris, inneren und äußeren Schamlippen und im anschließenden, fast vollständigem Vernähen der Wundöffnung um die Vagina (praktiziert in Sudan, Somalia, Eritrea, Djibouti, Ägypten, Nigeria, Kenia, Mali und der Zentralafrikanischen Republik). Als Sunna-Beschneidung ist streng genommen die Entfernung nur der Spitzen der Klitoris-Vorhaut zu verstehen (wird so auch in Teilen Sudans und Ägyptens praktiziert). Allerdings existiert unter Frauen, Männern und Hebammen — die die Beschneidung meist durchführen — einige Verwirrung über diesen Begriff. Sehr häufig wird als „Sunna“ eine in allen möglichen Varianten „weniger radikale“ Operation als die Infibulation verstanden (praktiziert im Tschad, in Benin, Nigeria, Ghana, Togo, Elfenbeinküste, Mali, Burkina Faso, Zaire, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Mauretanien, Kenia, Tansania, Äthiopien, Zentralafrikanische Republik). Die regionalen Praktiken, die vor allem — aber nicht nur — in ländlichen Regionen einen Prozentsatz von über sechzig Prozent aller Frauen treffen, variieren vor allem in den Schnittführungen und in den Materialien, mit denen geschnitten, desinfiziert und vernäht wird.

Genitale Verstümmelung von Frauen existiert außerdem auch in Asien (Malaysia, Indonesien, Pakistan, bei einigen Sekten in der Sowjetunion, und in den südlichen Staaten der arabischen Halbinsel, Oman, Bahrein, Südjemen, Vereinigte Arabische Emirate), in Südamerika (Peru, Brasilien, östl. Mexiko) und in Australien (bei vielen Aborigines-Stämmen).

Die bei soziologischen Untersuchungen angeführten Motive für die Praxis heißen „Tradition“, „Religion“ und „Hygiene“. Im Gegensatz zu einem weitverbreiteten Vorurteil — auch in den betreffenden Ländern selbst — stammt dieser häufig als Initiationsritus verstandene Brauch nicht aus den Lehren des Islam sondern wurde in einer sehr späten Phase des niedergehenden Alten Ägypten praktiziert (als Beweis gelten Mumienfunde aus der Zeit 200 v.u.Z.).

In einer der ersten ausführlichen (moderneren) Untersuchungen über weibliche Beschneidung durch eine Afrikanerin (Asma El Dareer, „Woman, why do you cry?“, 1982) kommt die Autorin zu dem Ergebnis, daß der Brauch — obgleich mit der Durchführung ausschließlich Frauen befaßt sind — auch dort durch die Intervention von Männern aufrechterhalten wird, wo Frauen sich verweigern wollen. Als Grund dafür wird von den Männern die Erhöhung der eigenen sexuellen Lust und die Dämpfung oder Zerstörung der sexuellen Lust der Frau angegeben — die Männer meinen, durch diese Operation die Gefahr sexueller Untreue ihrer Frauen zu bannen. Nach Geburten verlangen sie von ihren Frauen meist die Wiederholung der Operation, das heißt die neuerliche Verkleinerung der vaginalen Öffnung (ein zu Anfang der 80er Jahre eher zunehmendes Phänomen, auch im städtischen Mittelstand etwa des Sudan).

Wenn die Protagonistin der Erzählung von Saida Hersi sich entschließt, daß ihre Tochter von diesem Brauch verschont bleiben soll, so ist die Durchführung dieses Entschlusses, wie die oben erwähnte Untersuchung zeigt, ein außerordentlich großes Problem: Nicht nur Großmütter und Tanten sorgen heimlich für die Verstümmelung ihrer Enkelinnen und Nichten, sondern auch junge Ehemänner fordern nicht selten ihre Frauen auf, die Operation nachträglich durchführen zu lassen (bei erwachsenen Frauen ein noch viel gefährlicherer Eingriff, das Risiko des Verblutens ist sehr viel höher). URu