Weniger Nationalismus

Die morgigen baskischen Nationalwahlen begünstigen vor allem die konservative PNV  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Nationalistische Politik mit einem halbwegs klarem Feindbild — die Zentralregierung in Madrid — oder Zusammenarbeit mit dem Feind in Gestalt seines Ablegers, der sozialistischen Partei im Baskenland? Vor dieser Alternative wird voraussichtlich die konservativ-nationalistische PNV, die traditionell stärkste baskische Partei, stehen, wenn morgen abend die Ergebnisse der Regionalwahlen im Baskenland ausgezählt sind. Die Zusammenarbeit mit dem Feind hat die PNV bereits in den vergangenen vier Jahren erprobt: Nach den vergangenen Regionalwahlen hatte sie das Undenkbare getan und mit dem baskischen Ableger der spanischen sozialistischen Partei, PSE-PSOE, koaliert. Ein „Verhängnis“ für das Baskenland, wie damals viele baskische Nationalisten stöhnten.

Seither hat sich die Situation stark verändert. Die Region, die jahrelang aufgrund der Werftenkrise und mangelnder Investitionen aus Angst vor Erpressung durch die ETA wirtschaftlich auf Talfahrt war, hat sich zu erholen begonnen. Darüber hinaus hat die Unterstützung für den radikalen Nationalismus, vor allem den der ETA, abgenommen. Der „Pakt von Ajuria Enea“, der im Januar 1988 von allen im Regionalparlament vertretenen Parteien mit Ausnahme der ETA-nahen Koalition Herri Batasuna unterschrieben wurde, hatte sich die „Befriedung des Baskenlands“, die Bekämpfung der ETA sowie die Isolierung von Herri Batasuna zum Ziel gesetzt. Zwar war Eusko Alkartasuna, eine nationalistische Abspaltung der PNV, nach einem Jahr ausgetreten, doch im übrigen war die Anti-Terror-Zusammenarbeit beibehalten worden. Ein Zeichen dafür war eine Großdemonstration „Für den Frieden“ und gegen die ETA im März 89 in Bilbao.

Der Pakt machte einerseits Schluß mit den zweideutigen Stellungnahmen der Parteien zu ETA-Anschlägen, zum anderen nahm er vielen, die vor den ständigen Anschlägen und Spannungen in Ruhe gelassen werden wollten, die Angst vor dem Protest. Hinzu kam eine Schwächung der ETA durch polizeiliche Aktionen. Zum ersten Mal seit Jahren muß Herri Batasuna nun um die Stimmen der Jungwähler fürchten; Meinungsumfragen sagen einen leichten Rückgang der Wählerstimmen voraus.

Das Abflauen des radikalen Nationalismus kommt vor allem der PNV zugute. Sie wird von allen umworben: Eusko Alkartasuna sowie Euskadiko Ezkerra, die aus der aufgelösten „ETA politico-militar“ hervorgegangene linke Splitterpartei, hätten gerne eine Dreierkoalition, der sich auch Herri Batasuna gern anschlösse, was aber auf keine Gegenliebe stößt. Andererseits würde die PSE-PSOE gerne weiterhin mit der PNV koalieren und verweist auf die „privilegierten Beziehungen“, die dadurch zu Madrid bestehen.

Meinungsumfragen zufolge sind den meisten Basken die Sozialisten noch immer nicht geheuer — schließlich sehen sie in Madrid das Hindernis für eine größere Autonomie. Andererseits ist die sozialistische Regierung in Madrid bei den letzten Wahlen ihrer absoluten Mehrheit verlustig gegangen und nun auf Bündnispartner angewiesen, von denen die PNV einer ist — das schafft Verhandlungsvorteile.

Den Sozialisten könnte ein Wahlerfolg nicht schaden, auch wenn er nicht eben vorhergesagt wird. Kurz vor ihrem Parteikongreß im November ist innerhalb der Partei ein heftiger Linienstreit ausgebrochen über das Ausmaß an Disziplin und Kontrolle, die dort Fuß gefaßt haben. Angesichts dieses Zanks ist es nur ein schwacher Trost, daß die Zentrumspartei CDS von Adolfo Suarez heftige Annäherungsversuche an die Regierung macht, und auch der gloriose Parteibeitritt von Enrique Curiel, ehemaligem Vizegeneralsekretär der Kommunistischen Partei, verblaßt vor den internen Zerwürfnissen (Daß auch der abgehalfterte Eurokommunist Santiago Carrillo gern Zutritt zur sozialistischen Familie hätte, ist eher eine Anekdote am Rande). Doch die Basken werden den Sozialisten wohl eher weniger Stimmen geben als beim letzten Mal — und die Koalition mit der PNV wird trotzdem fortgesetzt.