„Größte Bedrohung Südosteuropas“

Bericht der Internationalen Atomenergie-Agentur empfiehlt Teilstillegung im bulgarischen Atomkraftwerk Kosloduj/ Bewegung gegen Atomkraft gewinnt in der Öffentlichkeit an Bedeutung  ■ Von Jozsef Bata

Sofia (taz) — Wegen der extrem hohen Fluktuation der Arbeitskräfte im bulgarischen Atomkraftwerk Kosloduj kann der 6. Block nicht ans Netz gehen und der 5. Block, der bereits mit einer Minimalbesetzung gefahren wird, muß stillgelegt werden. Zu diesem Ergebnis kam die Kontrollkommission der Internationalen Atomenergie-Agentur nach einem Besuch der Anlage. Trotz Protesten seitens der Umweltschützer war Kosloduj vor kurzem wieder in Betrieb genommen worden. Drei 440-Megawatt-Reaktoren waren in den letzten Monaten repariert worden. Auch der 1.000-Megawatt-Reaktor des Atomkraftkomplexes war nach Reparaturen wieder angeschaltet worden.

Doch die Kritik an der Entscheidung der Regierung Lukanow ist nicht verstummt. Zwar sehen auch die Kritiker den Energienotstand in Bulgarien, doch bleiben sie bei ihren Warnungen: erstens sei das AKW Kosloduj in einem erdbebengefährdeten Gebiet gebaut. Bisher hat es drei Erdstößen standgehalten. Zweitens seien im 1.000-Megawatt-Reaktor schon 16 Störfälle unterschiedlichen Grades vorgekommen. Drittens weisen die Kritiker auf die erheblichen Baumängel bei dem veralteten sowjetischen Kraftwerkstyp hin. Und viertens fehle es an dem nötigen Fachpersonal, was den Einsatz ausländischer Spezialisten erforderlich mache. Dies hatte Ministerpräsident Lukanow kürzlich auf einer Pressekonferenz selbst eingeräumt.

Im Januar dieses Jahres waren schon 7.500 Arbeiter der Baustelle bei dem geplanten zweiten AKW „Belene“ in den Ausstand getreten, weil das nach sowjetischen Plänen von 1969 zu bauende Werk in einer extrem erdbebengefährdeten Gegend steht. Diese „neue Erkenntnis“ hatte Konsequenzen: Der Bau an diesem Kraftwerk wurde erst einmal gestoppt. Da die Opposition im Aufwind ist und bei ihr Gruppen wie „Ecoglasnost“ und die „Grüne Partei“ eine große Rolle spielen, hoffen die Atomgegner, daß es bei dieser Entscheidung bleibt. Das Atomprogramm war noch von der alten kommunistischen Regierung eingeleitet worden. Bisher hat nicht einmal die Warnung von Experten des österreichischen Umweltministeriums, die den bulgarischen Atomkomplex als „größte Bedrohung“ Südosteuropas bezeichneten, Sofia von seinem Atomkurs abgebracht.