Ausnahmezustand gegen Gagausen

■ Die Republik Moldavien versucht, Parlamentswahlen in der abgespaltenen Republik der Gagausen zu verhindern/ Den Gagausen reicht die Kulturautonomie nicht/ Gorbatschow für friedlichen Ausgleich

Moskau (afp/taz) — Das Parlament der Republik Moldavien hat über drei der südlichen Rayons, in denen die große Mehrheit des Turk-Volkes der Gagausen wohnt, den Ausnahmezustand verhängt. Damit sollen die seit Donnerstag laufenden Parlamentswahlen im gagausischen Territorium, das sich am 19.August von Moldavien losgesagt hatte, verhindert werden. Über 60 Busse mit moldavischen „Freiwilligen“, bewegten sich von der Hauptstadt Kishinov aus in Richtung der gagausischen Hauptstadt Komrat, um gegen den Wahlgang zu protestieren. Die Gagausen errichteten ihrerseits Straßensperren. Auch Truppen des sowjetischen Innenministeriums sind auf dem Plan getreten, ohne einzugreifen. Bislang ist es zu keinen gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen.

Der Ausnahmezustand wurde proklamiert, nachdem ein Vermittlungsversuch des moldavischen Präsidenten Snegur von den Gagausen zurückgewiesen worden war. Die moldavische Regierung hält die Tür für Verhandlungen weiterhin offen. Auch Präsident Gorbatschow, der von den Gagausen um Hilfe gebeten wurde, plädierte für einen friedlichen Ausgleich. Die Gagausen sind ein knapp 200.000 zählendes Volk, das dem orthodoxen Glauben anhängt, Anfang des 19. Jahrhunderts aus dem ottomanischen Reich flüchtete und im südlichen Bessarabien und im Schwarzmeergebiet angesiedelt wurde. Die ursprünglich lateinisch geschriebene Sprache wurde in den fünfziger Jahren durch ein dem kyrillischen verwandtes Alphabet ersetzt, in der Folgezeit kam es zu einem schnell voranschreitenden Prozeß der Russifizierung. Zwischen Moldaviern und Gagausen hat traditionell ein gutes Einvernehmen bestanden, das erst erschüttert wurde, als das moldavische Parlament die (praktisch mit dem Rumänischen identische) moldavische Sprache zur alleinigen Staatssprache erhob. Die gagausische Unabhängigkeitsbewegung „Gagauz Khalk“ bestand auf dem Russischen als Amts- und dem Gagausischen als Verkehrssprache. Zwischen den gagausischen Führern und den prosowjetischen Minderheitengruppen, vor allem den links des Dnjestr wohnenden Ukrainern und Russen, die sich mittlerweile ebenfalls von Moldavien abgespalten haben, entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit. Die moldavische Regierung sicherte beiden Bewegungen kulturelle Autonomie zu, sprach sich aber scharf gegen die Sezessionen aus. Sie fundiert ihre Ablehnung auf historischen Argumenten — das südliche Moldavien war stets Bestandteil des alten Bessarabien — aber auch mit demographischen. Nur in zwei der fünf südlichen Rayons, die sich zur gagausischen Sowjetrepublik erklärten, bilden die Gagausen die Mehrheit. Ein unabhängiges Gagausien würde außerdem die Grenze Moldaviens zu Rumänien unterbrechen. Für den Zusammenschluß mit dem rumänischen „Mutterland“ spricht sich schon jetzt eine Mehrheit innerhalb der moldavischen Unabhängigkeitsbewegung aus. C.S.