Den Regenwald schützen — aber wie?

■ Bundestag debattierte bei gähnender Leere über ein Konzept zur Rettung des tropischen Regenwalds Beschlossener Drei-Stufen-Plan verschiebt die Lösung aufs nächste Jahrtausend

Bonn (taz/dpa) — Alle Parteien des Bundestages waren sich einig wie nie: Zur Erhaltung der tropischen Regenwälder sind schnelle und wirksame Maßnahmen dringend erforderlich. Doch über viel mehr als diese allgemeine Absichtserklärung konnten sich die Parteien nach zweistündiger Debatte am Freitag nicht einigen. Die Debatte fand, drei Tage vor Beginn der zweiten Welt-Klima- Konferenz in Genf, vor erschreckend leeren Bänken statt. Nicht einmal zehn Prozent der Abgeordneten waren bei einer Aussprache anwesend, bei der gleich mehrfach die Bedeutung des Themas und die Bedrohung von Klima, Menschheit und Planet angesprochen wurde.

Mit der Mehrheit der Koalition beschloß das Parlament schließlich ein Konzept, das die Opposition von SPD, Grünen und PDS für nicht ausreichend und sogar für schädlich hält. Der Drei-Stufen-Plan verschiebt die Anstrengungen ins nächste Jahrtausend. Er sieht zunächst internationale Sofortmaßnahmen vor, mit denen die Vernichtung der Wälder bis zum Jahre 2000 gemindert wird. Im nächsten Schritt soll sie bis zum Jahre 2010 gestoppt werden. Umfangreiche Aufforstungsprogramme sollen dann bis 2030 den Bestand von heute — der allerdings nicht einmal mehr die Hälfte der Regenwälder ausmacht — wiederherstellen.

Der CDU-Abgeordnete Bernd Schmidbauer verwahrte sich gegen den Vorwurf der Opposition, damit werde die weitere Waldvernichtung gebilligt. Es handele sich vielmehr um eine realistische Abschätzung für die Bewältigung der komplizierten Probleme. Die Bundesregierung wurde mit dem Beschluß aufgefordert, sich auf dem nächsten Wirtschaftsgipfel für ein Sofortprogramm zum Schutz der tropischen Wälder einzusetzen. Die Teilnehmerländer sollen verpflichtet werden, jährlich 750 Millionen Mark in einen Treuhandfonds zu zahlen. Damit sollen Maßnahmen zum Erhalt besonders gefährdeter Primärwaldgebiete, Projekte gegen die Brandrodung, der Aufbau von Brennholz- und Nutzholzplantagen und Aufforstungen finanziert werden.

Die Opposition warf der Mehrheit vor, sie nehme die Ursachen für die Regenwaldvernichtung nicht ernst genug. Zu ihnen gehöre vor allem die riesige Schuldenlast der Regenwald- Länder. Die Bundesregierung solle sich an die Spitze einer internationalen Entschuldungskampagne setzen, forderte die SPD-Abgeordnete Liesel Hartenstein. Es sei pervers, wenn die Drittwelt-Länder 1987 insgesamt 41 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe von den Industriestaaten bekommen hätten, gleichzeitig aber 80 Milliarden Mark Schulden zurückzahlen mußten. Diese Weltmarktmechanismen zögen „eine tödliche Schleifspur durch die Entwicklungsländer“.

Der Grünen-Abgeorndete Wilhelm Knabe warf der Bundesregierung vor, daß sie nach wie vor tropenwaldgefährdende Projekte wie Straßenbauten in den Regenwäldern von Kamerun und Zaire unterstütze. Entscheidend sei, daß die Industrieländer ihre eigene aggressive Wirtschaftspolitik und ihren maßlosen Konsumstil änderten. Innerhalb der EG sei die Bundesrepublik „noch immer einer der größten Importeure von Tropenholz“. Und im Internationalen Währungsfond treibe Bonn unverändert eine Schuldenpolitik voran, „die viele Tropenwald-Länder zur Ausbeutung ihrer Naturressourcen geradezu zwingt“. Die katastrophale Verschuldung der Dritten Welt habe sich in den letzten Jahren noch weiter verschlechtert, sagte Knabe.

Sprecher der Koalition wie die FDP-Abgeordnete Inge Segall und Entwicklungshilfeminister Warnke (CSU) warfen der Opposition vor, sie mache es sich mit ihrer weltwirtschaftlichen Argumentation zu einfach. Die Verantwortung dafür, daß der Umweltschutz zu einem bestimmenden Faktor ihrer Entwicklung werde, liege weitgehend bei den Ländern der Dritten Welt selbst, sagte Frau Segall. Diese Regionen könnten nicht zu „Umweltschutzparks“ gemacht werden, meinte Warnke.

Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) lobte den beschlossenen Aktionsplan als „unglaublich ambitioniertes Programm“, das kaum ohne Schwierigkeiten international durchsetzbar sei.

Grundlage der gestrigen Bundestagsdebatte war der Bericht der Klima-Enquete-Kommission. Deren Arbeit lobte der Umweltminister als einmalig. In der weltweiten Diskussion über Klimaveränderungen und Regenwälder komme niemand mehr an dieser beispielhaften Materialsammlung und Bestandsaufnahme vorbei, sagte Umweltminister Töpfer. -man-