Bohley wirft das Handtuch

■ Spitzenkandidatin des Neuen Forums will nicht für Bonn kandidieren/ Kritik an Wahlverfahren im Bündnis 90

Berlin (taz) — Bärbel Bohley, eine der Spitzenkandidatinnen des Neuen Forums und eine der prominentesten Personen der DDR-Opposition, wird nicht für den Bundestag kandidieren. Bärbel Bohley war in Berlin vom Neuen Forum auf Platz 1 der Kandidatenliste für den Bundestag nominiert worden. Gestern gab sie nun überaschend ihren Rücktritt bekannt.

Sie begründete ihren Schritt mit ihrer Kritik an dem Wahlverfahren, auf das die Gruppen des Bündnis 90 sich letzte Woche verständigt hatten. Dieses Wahlverfahren, so Bärbel Bohley, sei „undemokratisch und bürokratisch und hat nicht das geringste mit Basisdemokratie zu tun und dem kann ich mich nicht fügen“.

Der Koordinierungsrat von Bündnis 90 hatte beschlossen, daß die Listenplätze in den einzelnen Bundesländern nach einem paritätischen Prinzip unter den am Bündnis beteiligten Gruppen aufgeteilt werden. Nach dieser Absprache bekommt z.B. das Neue Forum in Sachsen-Anhalt mit seiner Kandidatin Ingrid Köppe den ersten Listenplatz. In Berlin sollte jedoch die „Initiative für Frieden und Menschenrechte“ mit ihrem Kandidaten Gerd Poppe auf Platz 1 stehen. Die gewählte Spitzenkandidatin des Neuen Forums, Bärbel Bohley, hätte den zweiten Platz eingenommen und damit nur noch wenig Chancen gehabt, in den Bundestag zu kommen. Bärbel Bohley hatte dagegen schon letzte Woche darauf bestanden, daß die Listenplätze nicht nach dem vereinbarten Gruppenschlüssel vergeben werden, sondern daß sich die Kandidaten auf einer Vollversammlung oder zumindest einer Delegiertenversammlung aller Gruppierungen zur Wahl stellen sollten. Eine solche Wahl war jedoch am letzten Samstag von der Mehrheit der beteiligten Gruppen abgelehnt worden. Bärbel Bohley gegenüber der taz: „Was hier passiert ist, hat mit Stellvertreterpolitik und mit Parteitaktik zu tun, und das mache ich nicht mit.“ Nach Angaben Bärbel Bohleys wird ihre Kritik an dem jetzt ausgehandelten Wahlverfahren vom Neuen Forum geteilt. Ihr Rücktritt sei aber dennoch eine persönliche Entscheidung. Das Bündnis der Bürgerrechtsgruppen sei dadurch nicht gefährdet. Auf die Frage, ob sie als eine der prominentesten Vertreterinnen mit ihrem Rücktritt dem Bündnis nicht einen schlechten Dienst erwiesen habe, antwortete Bärbel Bohley: „Dem Bündnis vielleicht, der Bürgerbewegung jedoch auf keinen Fall.“ Ve.