Bremer Vulkan AG weiter auf Rüstungskurs

■ Sozialdemokraten bestimmen Geschäftspolitik/Konversion führt Schattendasein

Die Bremer Vulkan AG ist heute ein Konzernriese. Allein im ersten Halbjahr 1990 lag der Gesamtkonzernumsatz nach Berücksichtigung der Ablieferung von zwei Fregatten im Frühjahr bei 2,3 Mrd.DM. Nach der Übernahme des Bremer Rüstungskonzernes-System-Technik Nord im Juni diesen Jahres (STN, 700 Mio DM Auftragspolster) und der Werkzeugmaschinenfabrik Wohlenberg aus Hannover ist die Vulkan AG mittlerweiler Arbeitgeberin für mehr als 10.000 Beschäftigte. Auch bei der Schweizer Maschinenfabrik Sulzer hat sich Vulkan gemeinsam mit einer italienischen Werft und der Deutschen Maschinen-und Schiffbau AG“, Rostock, eingekauft. Die Rostocker Werft kommt nächstes Jahr unter das Dach der Vulkan AG. Durch die Übernahme der STN ist der Rüstungsanteil von Vulkan sprunghaft gestiegen. Beherrscht wird das Vulkan-Imperium von Sozialdemokraten. Vulkan-Chef Friedrich Hennemann war bis zu seinem Einstieg in der Vegesacker Konzernzentrale zunächst beim Gesundheitssenator, später beim Wirtschaftsenator Senatsdirektor. Hennemann, so Gewerkschaftskollegen aus der Werft, wurde als Garant für sozialdemokratische Politik für den Vorstand nominiert. Wesentliches Element einer solchen Politik: Standorttreue und Loyalität gegenüber dem sozialdemokratischen Bremen. Die Vulkan AG ist aufgrund der Arbeitsplätze und des finanziellen Engagements des Landes Bremen für die Landesregierung äußerst wichtig. Eine Pleite hätte unabsehbare politische Folgen. Durchgesetzt wurde Hennemann im Aufsichtsrat der Vulkan AG. Dort verfügen die Sozialdemokraten über eine satte Mehrheit. Mindestens 11 der 16 Aufsichtsratmitglieder sind Sozialdemokraten, darunter die Senatoren Grobecker und Beckmeyer. Der Aufsichtsrat ist das mächtigste Organ eines Konzernes. Er bestimmt die Geschäftspolitik des Vorstandes und des Gesamtkonzernes. Aber auch im Betriebsrat der Vulkan-Werft, so Betriebsratmitglied Fritz Bettelhäuser, dominiert das rote Parteibuch. Bei einer derart beherrschenden Stellung der Sozialdemokratie im Konzern sollte die Umsetzung der SPD-Parteitagsbeschlüsse zur Friedenspolitik und Rüstungskonversion auch Konzernpolitik sein. Das aber ist nicht der Fall. Die Ablehnung von Rüstungsproduktion und das entschiedene Engagement für die Konversion ist Programmatik der SPD.

WEITER AUF RÜSTUNGSKURS

Seit der Entscheidung des Aufsichtsrates, die Rüstungsfirma STN zu kaufen, wird unter dem Dach der Vulkan AG auch Miilitärelektronik produziert. (vgl.taz HB,25.9.90) Im Schiffbaubereich lag der Rüstungsanteil bisher unter 20%, Dazu kommmen noch die zum Teil umfangreichen Reparatur-und Wartungsarbeiten an Kriegsschiffen. Anfang des Jahres lieferten die Vegesacker die letzten beiden Fregatten 122 bei der Bundesmarine ab. An dem Bau weiterer Fregatten des Typs 123 wird Vulkan wiederum beteiligt sein. Der Fregattenbau ist für den Vulkan, so Hennemann mehrfach, nicht nur aus technologischer sondern auch aus finanzieller Sicht attraktiv. Vor zwei Wochen gab das Verteidigungsministerium bekannt, daß die Mittel in Höhe von 340 Mio DM für den Bau von Tendern für die Bundesmarine bereitgestellt werden. Tender sind als schwimmende „Logistikzentralen“ für Kriegsschiffe im Einsatz, sie verfügen über modernste Kommunikationsausrütung und führen Munitionsnachschub, Ersatzteile und Versorgung mit. Zur Zeit befinden sich alte Tender mit einem Minensuchverband zur Unterstützung der US-amerikanischen Streitkräfte im Nahen Osten im Mittelmeer. Gemeinsam mit der Lürssen-Werft und der Kröger- Werft wird der Vulkan diese Kriegschiffe bauen. Versorgungsschiffe der Vulkan-Werft fahren aber auch schon für die indische und malaysische Marine. Die Bremer Werft will allerdings nicht nur solche Kriegsschiffe verkaufen. Die thailändische Marine möchte sich gerne in Bremen ein 328 Mio US$ teures Kriegsschiff bauen lassen. Das Vulkan- Vorstandsmitglied Schwarz soll auch über dieses Projekt im Sommer in Bangkok verhandelt haben. Vulkansprecher Stamm will allerdings keine Auskunft darüber geben, ob es zu Absprachen mit der thailändischen Marine gekommen ist. Ebenfalls unbeantwortet bleiben Fragen, ob der Werft mittlerweile Aufträge vorliegen für das mit einfacher Bewaffnung 100 Mio US$ teure Marineschiff BRECA. Diese Korvette wurde eigens für den „3.Welt- Markt“ entwickelt. Vor wenigen Monaten wurde die BRECA auf einer Militärmesse in Kuala Lumpur vorgestellt. Vorstandsmitglied Schwarz will über mögliche Aufträge aus der 3.Welt keine Angaben machen.

KONVERSIONSIDEE UMWELTFREUNDLICHES SCHIFF

„Natürlich sind wir gegen den Fregattenbau“, sagt der Betriebsrat Rolf Spalek. Aber als Spalek gemeinsam mit KollegInnen 1988 einen Arbeitskreis „Nützliche Produkte“ gründete, stand bei ihnen die Frage der Rüstungsproduktion nicht im Vordergrund. Nach der Auffassung des Arbeitskreises ist Produktkonversion mehr als die einfache Umstellung auf zivile Produktion.

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„Wir wollen weiter Schiffe bauen, zivile Schiffe,“ sagt Klaus Prange. „Aber wir arbeiten für eine Produktion, in der möglichst wenig Abfälle und Sondermüll entstehen und unvermeidlich anfallende Schadstoffe vernünftig entsorgt werden. Und wir wollen mitbestimmen, mit welchen Substanzen wir arbeiten.“ Die Unterwasserfarben z.B., mit denen die Schiffshülle gestrichen wird, ist in der Verarbeitung und auch später, wenn sie abgestrahlt wird, um einen neuen Anstrich aufzutragen, hochgiftig. Im Gesundheitsschutz herrschen auf der Werft, so die Kollegen, katastrophale Zustände. Nur im Bereich der Asbestverarbeitung im Schiffsneubau ist die Werft bis auf den Abbrandschutz der Raketenwerfer bei den Fregatten asbestfrei. Dennoch, so Spalek, ist Asbest ein tägliches Problem der KollegInnen bei der Reparatur von alten Schiffen. Einige KollegInnen leiden heute unter Asbestose und sind schwerkrank. Auf der Schweinsweide, einem Gebiet im Norden der Werft, sprudelte im Sommer bei Bauarbeiten in einem Meter Tiefe Altöl. Die Schweinsweide ist Vulkans unkotrollierte Müllkippe für Lacke und Sondermüll aller Art. Von Arbeitern haben die Arbeitskreismitglieder gehört, daß mehrfach nach dem Abstrahlen und Neuanstrich der Schiffsrümpfe im Schwimmdock das Dock abgesenkt wurde. Das überholte Schiff fuhr heraus, die abgestrahlte Schlacke war in der Weser verschwunden. „Früher wurden wir vom Betriebsrat und der Geschäftsleitung belächelt“, sagt Spalek. Heute wird der Arbeitskreis ernster genommen. „Wenn der Vulkan ein Schiff der Zukunft bauen würde, mit umweltfreundlichem Antrieb, Tanker mit doppelter Außenhaut, wenn er ein wirklich umweltfreundliches Transportmittel Schiff bauen würde, dann ginge vom Vulkan eine Ausstrahlung aus“, sagt Betriebsrat Bettelhäuser. Die Geschäftsführung hat ihm aber signalisiert, daß sie für ein solches Schiff keinen Bedarf sieht. Ein anderer Kollege drückt es drastischer aus: Hennemann und Konversion seien unvereinbare Widersprüche. Die Geschäftsleitung würde wohl erst dann Ernst machen mit der Konversion, wenn die aus Bonn vorfinanziert würde. Tatsächlich weicht Vorstandsmitglied Schwarz auf Fragen nach Konversion aus: Die Geschäftsleitung sei erst im Diskussionsprozess, sagt er. Die Vulkan AG würde derzeit ein Konzept ausarbeiten und es im Laufe des Winters vorstellen. In der Führungsetage scheint keine Eile in dieser so wichtigen Frage zu herrschen. Rainer Kahrs