Ingrid Strobl erhält Lehrauftrag an Bremer Uni

■ Solidarität der Bremer Frauen führte zum Erfolg

Kurz bevor er in Urlaub ging, hat Jürgen Timm, Rektor der Bremer Universität, sein „Okay“ gegeben. Ingrid Strobl wird noch in diesem Wintersemester einen Lehrauftrag am Fachbereich neun (Human- und Sozialwissenschaften) übernehmen. Das für den Januar 1991 geplante Blockseminar hat den Titel: „Frauenwiderstand gegen bevölkerungspolitische Maßnahmen“.

Verschiedene Frauenprojekte und der Frauen-AStA hatten die Veranstaltung seit Anfang 1989 immer wieder gefordert. Ingrid Strobls Kommentar zu der Nachricht: “Ich find's toll, vor allen Dingen deshalb, weil die Frauen die Veranstaltung durchgsetzt haben — toll von ihnen und für sie, daß sie so zäh waren“.

Als der Antrag 1989 zum ersten Mal gestellt wurde, befand sich Ingrid Strobl noch in Untersuchungs-Haft. Wichtigster Anklagepunkt damals: „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ nach § 129a. Ingrid Strobl sollte angeblich eien Wecker gekauft haben, der später bei einem Bombenanschlag auf die Kölner Lufthansa-Zentrale verwendet wurde.

Nachdem der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren den Hauptanklagepunkt kassiert hatte, ging es in der neuerlichen Verhandlung um „Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“. Ohne erneute Beweiserhebung wurde Ingrid Strobl in der letzten Woche vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu drei Jahren Haft verurteilt, wobei die zweieinhalbjährige U-Haft angerechnet und die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt sind.

„Wir haben den Antrag damals bewußt gestellt, als sie noch im Knast saß“, sagt Silke Strukmeyer, eine der Unterstützerinnen. „Einmal weil wir Interesse an ihrer wissenschaftlichen Arbeit hatten und zweitens als Ausdruck politischer Solidarität.“ Außerdem wollten die Frauen deutlich machen, daß sie „grundsätzlich gegen den § 129a sind“.

In dem Seminar soll es vor allem um Fragen der Geburtenkontrolle, Probleme von Frauen in der dritten Welt und Ausländerinnenpolitik gehen. Schon 1989 meinte der Fachbereich neun, dies sei eine „sinnvolle Ergänzung des vorhandenen Lehrangebots“. Als jedoch die Forderung der Frauen beim Rektor auf Widerstand stieß, kündigte auch FB neun kurzerhand die Unterstützung. Der „Ruf der Universität“, hieß die Begründung, könnte unter so einer „politischen Demonstration“ Schaden nehmen.

Auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, daß § 129a nicht anzuwenden sei im Falle Strobl, gab es zunächst Bedenken, als ein neuer Antrag eintraf. Formal müsse die Sache einwandfrei sein, hieß es von Seiten des Rektors. Dieser forderte Anfang Oktober eine erneute Überprüfung des Fachbereichs, um sicherzustellen, daß bei Strobl wirklich die entsprechende Qualifikation vorliege.

In dem Schreiben hieß es unter anderem, wenn Ingrid Strobl auf freiem Fuß bleibe, habe die Universität „grundsätzlich keine Einwände“ gegen einen Lehrauftrag. Anderseits müßten die Fachbereiche bedenken, „welchen Schaden sie anrichten, wenn sie sich und die Universität dem Verdacht aussetzen, daß sie das Instrument des Lehrauftrags für eine politische Aktion mißbrauchen“.

Auf der letzten Podiumsveranstaltung des Asta (24.10) allerdings, gab sich Timm wieder liberal. „Ich begrüße es“, sagte er auf eine entsprechende Frage, „wenn die Uni einen Beitrag zur Rehablitation von Ingrid Strobl leistet“. Auch Rainer Zoll, Vorsitzender der Studienkomission, 1989 noch schwankend, hält die Lehrveranstaltung inzwischen für eine „positive Sache“. Strobl habe promoviert und sei dementsprechend qualifiziert. Für ihn ein „ganz normaler Lehrauftrag“. Birgit Ziegenhagen