Ausbaustopp für Lehrter Güterbahnhof?

■ Bausenator Nagel drängt auf Entscheidung über den Ausbau des Containerbahnhofs in der Lehrter Straße/ Forderung nach einem »Abschied von der Inselplanung« gestellt/ Reichsbahn und Bundesbahn wollen weiterhin am Ausbau festhalten

Berlin. »Das ist eine Inselplanung, keine Metropolenplanung.« So kritisiert man im Hause von Bausenator Nagel den Ausbau des großen Güterbahnhofs an der Lehrter Straße. Am Dienstag wird die Landesregierung über die Zukunft des Containerbahnhofs entscheiden und geht es nach Nagel, dann wird er sich von dem Ausbau verabschieden. Seit 1989 laufen die Bauarbeiten auf dem Moabiter Bahngelände. Die erste — 55,8 Millionen DM teure — Ausbaustufe soll Ende 1991 fertig werden. Sie läßt sich nicht mehr aufhalten. Jetzt geht es um Stufe 2 des »Hamburg und Lehrter Güterbahnhofs«, für die im Haushalt nochmals 71,8 Millionen veranschlagt werden müßten.

In seiner Senatsvorlage listet Nagel die Bedenken gegen diesen Ausbau auf. Der Güterbahnhof gerate in »Konflikt« mit der »behutsamen Stadterneuerung« in der angrenzenden Lehrter Straße. Der Lärm, der von den Arbeiten auf dem Containerbahnhof ausgehe und die LKW-Lawine, die von ihm angezogen werde, schaffe »umfassende Beeinträchtigungen« für die benachbarten Wohngebiete. Ein »Potential von circa 500 neu zu bauenden Wohneinheiten« sei damit gefährdet.

Im von der Mauer umschlossenen West-Berlin gab es keine Alternative zu dem Standort in Moabit, der damals überdies am Stadtrand lag. Seit der Öffnung der Mauer dagegen steht das »Mammutding«, so der AL-Abgeordnete Michael Cramer, mitten in der City. Cramer plädiert ebenfalls dafür, das Vorhaben »aufzugeben« und unverzüglich eine neue Güterverkehrskonzeption zu entwickeln.

Doch der Abschied von der Insel fällt der Stadtregierung nicht leicht. Der Senat hatte sich im Januar 1989 gegenüber der Reichsbahn verpflichtet, den Güterbahnhof zu bauen. Er erhoffte sich nicht nur, »den Güterverkehr mit der Eisenbahn zu fördern und damit den LKW- Verkehr zu entlasten«, sondern ließ sich von der Reichsbahn auch Gegenleistungen zusichern. Der Stadt sollten große, brachliegende Bahnflächen »für die städtebauliche Nutzung zur Verfügung gestellt« werden, darunter das Areal des ehemaligen Anhalter Personenbahnhofs, ein Gelände auf dem Moabiter Werder sowie große Teile des Gleisdreiecks zwischen Kreuzberg und Schöneberg.

Der »Übergang« dieser Flächen in städtische Hand würde bei einem Baustopp auf dem Güterbahnhof »in Frage gestellt«, heißt es auch in Nagels Vorlage. Damit wären auch Vorhaben wie die Bundesgartenschau 1995 bedroht, für die die Bahnflächen fest eingeplant wurden. Zumindest wären Verhandlungen mit der Bahn erforderlich — und die hat am Samstag erneut auf die Vertragstreue des Senates gepocht. Langfristig sei zwar ein anderer Standort für den Güterbahnhof vonnöten, räumte der Berliner Bundesbahn-Chef Christian Siegert auf dem Eisenbahncolloquium des Senats ein. Kurzfristig wäre es aber »fatal«, so Siegert, den Moabiter Bahnhof nicht auszubauen. Beim Containerverkehr registriere die Bahn zur Zeit Zuwachsraten bis zu 50 Prozent.

»Die Bahn kann heute auf diesen Standort nicht verzichten«, bestätigt auch Christian Lotze, Abteilungsleiter in der Senatsverkehrsverwaltung. Alternativflächen seien momentan nicht in Sicht. Würde der Ausbau des Containerbahnhofs in Moabit gestoppt, warnt Lotze, dann »würde das einzige Wachstumspotential im Güterverkehr geschädigt«. Das sei der »Zielkonflikt«, heißt es in Nagels Vorlage, über den nun der Senat entscheiden müsse. hmt