UNTERM STRICH

Die Schloßoper von Versailles sowie die Säle und der Park des Königsschlosses werden ab Herbst 1991 alljährlich Schauplatz eines Barock-Festivals sein, das neben Opern und Konzerten auch Theater- und Ballettaufführungen umfaßt. Zu diesem Zweck wurde die von dem Architekten Jacques-Ange Gabriel für die Hochzeit Ludwigs XVI. und Marie-Antoinette gebaute Oper einer in dieser Woche abgeschlossenen gründlichen Renovierung unterzogen (Kostenpunkt: umgerechnet 2,9 Millionen Mark). Die Oper gilt auch wegen ihrer ausgezeichneten Akustik als einer der schönsten barocken Opernsäle der Welt. Die künstlerische Leitung des künftigen Festivals übernimmt der belgische Kontratenor René Jacobs. Das Programm soll in Zusammenarbeit mit der Comédie Fran±aise sowie den Festspielen von Innsbruck und Drottningholm (Schweden) gestaltet werden.

Der Komponist Gottfried von Einem ist ein unglücklicher Mann, weil sein Name allein schon zu einem bösen Wortspiel einlädt: seine Musik sei nicht von einem, sondern von mehreren. Veri- beziehungsweise falsifizieren läßt sich dieses Gerücht morgen in Wien. „Tulifant“ heißt von Einems jüngste Oper, die dort am Ronacher Theater uraufgeführt wird. Librettistin ist Lotte Ingrisch, die schon das Textbuch zu von Einems Oper „Jesu Hochzeit“ (1980) schrieb. Wie die Autorin jetzt in Wien erklärte, soll das Werk dazu beitragen, eine kranke, „weltbildlose“ Welt auf den richtigen Pfad zurückzuführen. In dem dreiaktigen Stück werden als Gegengift zur kalten Gegenwartswelt die Ideen des Dominikanermönchs Giordano Bruno eingesetzt, der mit seiner Viele-Welten-Theorie die katholische Kirche herausforderte und 1600 in Rom als Ketzer verbrannt wurde. Die Figur des „Tulifant“ sei das Spiegelbild Brunos, ein letzlich siegreicher Widersacher des „Wüsterich“, der die Welt des angeblichen Fortschritts verkörpert. In der Oper spielen auch der die Vergangenheit verkörpernde Drache „Müff-Müff“, die zukunftsweisende Tänzerin „Pelzchen“ und die schöne Prinzessin Smaragda eine Rolle. Von Einem hat eine Partitur für kleines Orchester geschrieben, die jedem Musiker solistische Fähigkeiten abverlangt. Aus der Feder [an dieser tantenhaften Feuilleton-Metaphorik erkennt die geneigte Leserin denn doch, daß wir diese Meldung im wesentlichen von adn übernehmen] des 1918 geborenen Komponisten, der seine musikalische Laufbahn als Korrepetitor an der Berliner Staatsoper begonnen hatte, stammen unter anderen die Opern „Dantons Tod“ und „Der Besuch der alten Dame“ sowie das Ballett „Prinzessin Turandot“.

Walter Jens und Heiner Müller werden in Zukunft die Zeitschrift Sinn und Form der Akademie der Künste zu Berlin (Ost) herausgeben. Die Akademie beschloß jetzt die Weiterführung dieser bereits im 42. Jahr erscheinenden Literaturzeitschrift mit dem Chefredakteur Sebastian Kleinschmidt. Auf einer Plenartagung wurde in der letzten Woche eine Arbeitsgruppe gebildet, die konzeptionelle Vorstellungen für eine künftige Struktur der Akademie bis zum Jahresende vorlegen soll. An eine Zusammenlegung mit der Akademie der Künste Berlin (West) ist bisher nicht gedacht.

Das Sinfonieorchester der ostdeutschen Filmgesellschaft DEFA in Babelsberg, dessen Zukunft noch ungewiß ist, möchte mit dem Orchester des Potsdamer Hans-Otto-Theaters zu einem Brandenburgischen Philharmonischen Orchester Potsdam fusionieren. Vor Journalisten sprach der Chefdirigent des DEFA-Sinfonieorchesters, Manfred Rosenberg von einer „prekären Lage“ seiner 47 Musiker. Alle hätten zum 31. Juli 1991 ein Kündigungsschreiben der jetzt in eine GmbH umgewandelten Spielfilmstudios erhalten.

Die Geschäftsleitung selbst habe keine Konzeption zum Erhalt dieses in Deutschland einzigartigen Filmorchesters erarbeitet. Zusammen mit dem erst kürzlich berufenen Chefdirigenten und musikalischen Leiter des Hans- Otto-Theaters, Stefan Sanderling, sei deshalb der Plan der Zusammenlegung beider Orchester zu einem großen mit insgesamt 116 Musikern entstanden. Rosenberg sieht in der Zusammenlegung eine „große Chance“. Die Auflösung des DEFA-Sinfonieorchesters wäre seiner Meinung nach ein „Unding“.